Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
gelernt, ihre neu gewonnene Rundum-Schönheit, die ihr die Kieferkorrektur und die Nasenoperation verliehen hatten, richtig zur Geltung zu bringen. Und dann, als sie geblendet in das Scheinwerferlicht starrte, schälte sich ein Gesicht aus dem Nebel heraus - ein Gesicht, das sich von allen anderen im Auditorium absetzte. Es war Eugene - der Müllmann! -, und er schaute Susan mit dem gleichen verständnisvollen, wissenden Gesichtsausdruck an wie auf dem Foto. Ihre Blicke trafen sich, und zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich als sexuelles Wesen. Sie posierte nicht nur, sie fühlte sich nackt, und sie war stolz auf ihren Körper. Sie nahm die Schultern zurück, als wolle sie Eugene mehr von sich schenken. Sie wurde begutachtet, und sie wusste, dass sie eine gute Figur machte. Gleichzeitig musterte Eugene Susan. Er fragte sich, wie er diese appetitliche kleine Gazelle bislang hatte übersehen können. Für Elise? Teufel auch, selbst wenn sie den Flohwalzer mit einem Spachtel spielen würde, würde er noch für sie stimmen. Er zeigte mit dem Finger auf Susan und dann auf sich selbst, präsentierte breit lächelnd seine Filmstarzähne und zwinkerte ihr dann mit der Unwiderstehlichkeit eines glühenden, Wäsche verschmorenden Bügeleisens zu.
    Susan hörte Musik, und sie hörte ihren Namen. Und dann landete ein Diadem auf ihrem Kopf, und sie spürte das beruhigende, kühle Flattern der Siegerschärpe, die über ihre rechte Schulter drapiert wurde.
    Hinterher, als die Menge sich zerstreut hatte, versuchte Susan, Eugene unter den davoneilenden Menschen zu erspähen, indem sie so tat, als halte sie Ausschau nach einem anderen Zirkusäffchen, Janelle aus Hawthorne, Kalifornien. »Janelle?«, fragte Marilyn. »Du hasst Janelle.« 
    »Ich hasse niemanden, Mom.«
    »Janelle hat vor zwei Jahren in Spokane deinen linken Pumps versteckt.«
    »Das konnte ihr niemand beweisen.«
    »So ein Sieg macht dich offenbar sehr nachsichtig. Reizbar auch.«
    »Gar nicht wahr.« Aber sie war tatsächlich nervös. Hektisch und voller Panik suchten ihre Augen nach Eugene. Ihr Magen fühlte sich an wie ein Drachen, dem es nicht gelingen wollte, in die Luft zu steigen.
    »Natarlich nicht, Süße. Ach, guck mal - da drüben ist sie ...« 
    »Wo?«, Verwirrt drehte Susan ihren Kopf in die Richtung, in die ihre Mutter gezeigt hatte. Kein Eugene. »Reingelegt.« 
    »O Mom.«
    . »Keine Sorge, meine Süße. Was auch immer los ist, ich werde dich heute Abend nicht damit nerven. Du bist ein Champion.«

Kapitel Zwölf
     
     
    Susan spürte, wie die Hitze der sich abkühlenden Cheeseburger aus der Mülltüte neben ihr entwich. Nachdem ihre Ohren sich von dem explosionsartigen Zuschlagen des Müllcontainerdeckels erholt hatten, registrierten sie jetzt Susans langsame Atemzüge und das Rascheln des eingetüteten Mülls, der sich bedrohlich auftürmte wie ein Berg von Nerf-Geschossen, der jeden Moment über ihr zusammenbrechen konnte. Der Geruch überlagerte Übelkeit erregend süßlich alle anderen Sinneseindrücke - Ketchup, Brötchen, Fisch, Rindfleisch und Kartoffeln, vermengt mit Fett und Flüssigkeiten, überzogen das Metall unter ihren Schuhen.
    Es gab kein Licht, und in der Dunkelheit barsten die Konturen, die sie ertastete, wie kaputte Feuerwerkskörper unter ihren Fingerspitzen. Sie hatte Hunger, doch ihr Ekel vor den toten Lebensmitteln überwog. Sie versuchte sich ganz klein zu machen, wie ein Vogel, der in einem Haus gefangen ist. Und dann entspannte sie sich. Ein bisschen.
    Auf der Suche nach einer Sitzgelegenheit klopfte sie mit der flachen Hand die Müllsäcke ab, bis sie auf einen stieß, der federnd nachgab. Er enthielt Pappbecher, Schaumstoffbehälter und Papierservietten. Sie ließ sich in ihrer Ecke darauf nieder. Die Gerüche um sie herum wollten einfach nicht schwächer werden, und ihre Nase weigerte sich, sich auf ähnliche Weise zu akklimatisieren, wie sie es bei dem Mistgeruch auf einem Bauernhof getan hätte. Der Gestank war nicht stark genug, um Brechreiz auszulösen, aber er ließ sich auch nicht ignorieren.
    Ihr Hunger wurde größer, aber bei dem Gedanken, einen der erkaltenden Burger um sie herum zu essen, drehte sich ihr der Magen um. Sie hatte Durst, und die Energieriegel in ihrer Reisetasche schmeckten wie Kleister und waren ohne Wasser ungenießbar. Sie griff nach ihrer Tasche - ihre Tasche! Sie hatte sie auf den Beton unter der Mülltonne fallen lassen, als die beiden Jungs kamen. Sie winselte vor Wut. Stunden

Weitere Kostenlose Bücher