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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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dort scheißen gehen, sich waschen und einen Plan zur Nahrungsbeschaffung austüfteln. In diesem Wissen verfiel er wieder in den federnden Gang von vorhin. Auf der Herrentoilette des McDonald's benetzte er sein zerknautschtes Gesicht mit Leitungswasser und betrat dann das Restaurant, das von ein paar Rentnern, drei verwahrlosten Gestalten und einer trübsinnigen Gruppe asiatischer Teenager bevölkert wurde, die eifrig die kalifornischen Nichtrauchergesetze ignorierten. Das Tresenpersonal war fast pathologisch gelangweilt und registrierte Johns Bitte um Wasser wie ein Freizeichen. Doch er erhielt ein Glas, was ihm Zeit verschaffte, und dann - heureka! - räumten die Teenager das Feld und hinterließen so viele Essensreste, wie man sie sonst nur auf einem Campingplatz im Yosemite-Nationalpark findet. Schnell schnappte er sich, während er zur Tarnung Äußerungen moralischer Entrüstung vor sich hin murmelte, die Tabletts mit den Resten darauf und steckte sie in die Mülltonnen, wobei er Acht gab, die dicksten Burger-Brocken, Fritten und Nuggets zurückzubehalten, um sie auf ein Platzset aus Papier zu legen, dieses zusammenzufalten und aus dem Restaurant zu tragen wie ein Disco-Handtäschchen.
    Draußen machte er sich auf die Suche nach einem Ort, an dem er essen konnte, und entschied sich für einen kleinen Betonbuckel hinter dem Restaurant, neben ein paar ausladenden Oleanderbüschen, mit Blick auf die von einem Drahtzaun umschlossenen Müllcontainer und Wasser- und Stromanschlüsse. Ein Hubschrauber flog über ihn hinweg. Er aß, fand dann einen Platz zum Hinlegen, ein urinfreies Fleckchen hinter den Oleandern, und scharrte ein Kissen aus Rindenmulch zusammen, das Juckreiz an seinen Unterarmen verursachte. Er roch etwas Öliges. Er verspürte ein magensaures Schwindelgefühl, als sei er auf dem Jahrmarkt in das falsche Fahrgerät gestiegen.
    Um Mitternacht gingen bei McDonald's die Lichter aus. John sah, wie zwei Angestellte herauskamen, prall gefüllte weiße Säcke in den Müllcontainer warfen und den eingezäunten Bereich abschlössen. Er ertappte sich dabei, dass er wie ein Koyote nach irgendwelchen Essensresten suchte, die ihnen vielleicht heruntergefallen waren. Bevor er einschlief, überlegte er, dass die Nachtwächter noch nicht wach wären, wenn am Morgen das Personal einträfe, um den Laden zu öffnen, und daher den vor sich hin murmelnden Landstreicher mit dem Fred-Feuerstein-Bartschatten nicht erkennen würden. John war ein edler Tor. Sein Plan, sich spontan und ohne Terminkalender querfeldein treiben zu lassen, war von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Er war romantisch, naiv und geradezu lächerlich kurzsichtig. John war ein Opfer der kitschigen Vorstellung, dass, wenn er sich allen weltlichen Beiwerks entledigte, ihn das zu einem tiefer empfindenden Menschen machen, ihn mit neuem Leben erfüllen - ihn zum King von Fast-Food-Amerika und seinem unendlichen Straßennetz machen würde.
    Tag für Tag fühlte John sich dreckiger und abstoßender. Er stank. Er hatte versucht, seine Unterwäsche mit rosafarbenem-Seifengranulat im Waschbecken einer Tankstelle zu waschen, und sie dann zum Trocknen über einen Zaun gehängt, aber sie war auf einen Sägemehlhaufen auf der anderen Seite geweht worden.
    Er lernte, der Polizei aus dem Weg zu gehen. Er schlief in Hecken. Er wanderte weiter in Richtung Osten, durchquerte eine Wohngegend nach der anderen, bis er den Rand von Los Angeles County erreichte. Er begann Hunde zu hassen, weil sie ihn als Landstreicher erkannten und ihn durch ihr Gebell verrieten.
    Indem er Aluminiumdosen sammelte und Pfand dafür kassierte, kratzte er Geld zusammen, um Bourbon zu kaufen. Dabei musste er lachen - dieser billige Fusel! Lecker und süß, und genauso köstlich und bodenständig wie beim ersten Mal, als er ihn als Teenager probiert hatte.
    In Fontana, einer ausgestorbenen Stahlindustriestadt sechzig Meilen landeinwärts, erfüllte er Ivans Prophezeiung und klaute Wäsche von einer Wäscheleine, die Uniform eines UPS-Boten, die ihm erstaunlich gut passte. Prüfend ließ er seinen Blick über das Haus wandern - es war niemand da. Er brach das Schloss zu einer klapprigen Seitentür aus dem Baumarkt auf. Drinnen duschte er, wusch sich die Haare, rasierte sich und zog seine neue Uniform an. Er bündelte seine alten Sachen und klemmte sie beim Gehen zwischen zwei Plastik-Stapelstühle auf der Terrasse.
    Die UPS-Uniform machte ihn gesellschaftsfähig. Wenn er sie trug, standen ihm,

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