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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Comics zu lesen, während Marilyn mit ein paar anderen Kandidatinnenmüttern plauderte und erfuhr, dass Eugene in demselben Hotel wohnte wie sie, und zwar allein, denn Renata konnte wegen all der Bestellungen, die im Vorfeld der Big 'n' Proud-Messe in Tampa, Florida, bei ihr eingingen, nicht aus Bloomington weg. Fast ohne Mühe fand Marilyn Eugenes Zimmernummer heraus und klopfte kurz darauf an seine Tür. Er öffnete, nur mit karierten Socken, gestreiften Boxershorts und einem offenen Oxfordhemd bekleidet. Er hatte einen Scotch in der Hand, und Marilyn konnte sehen, dass er kleine, von der Sonne golden gebleichte Härchen auf den Fingerrücken hatte. Sie wusste, dass Eugene es gewohnt war, nur hereinzulassen, wen er wollte und wann er wollte. Er sah Marilyn und sagte: »Was machen Sie hier - soll das ein Witz sein?« 
    »Das ist kein Witz, Eugene.« Sie drängelte sich in sein Zimmer. Sie nahm es gewissermaßen im Sturm. »Was zum Teufel ...? Sie ... verlassen Sie verdammt noch mal mein Zimmer. Sofort.« 
    »Nein, Eugene.«
    »Haben die Jungs vom Sender das inszeniert? Ist das ein Gag?«
    »Das ist kein Gag, Eugene, und ich kenne keine Jungs von irgendeinem Sender.« Sie neigte kokett den Kopf und setzte sich mit übereinander geschlagenen Beinen aufs Bett. Eugene stürzte seinen Scotch herunter. »Ich steh nicht auf billigen Sex, Lady. Raus.« 
    »O Eugene - Sie täuschen sich in mir.«
    »Sie sind die Mutter einer Kandidatin, nicht wahr? Euch Mütter erkenne ich überall. Ihr seid alle nicht ganz dicht. Ihr habt alle einen Sprung in der Schüssel.« Er goß sich einen neuen Drink ein.
    »Finden Sie es klug, zu trinken?«
    »Bitte? ... Verdammte Scheiße ... Ich rufe jetzt den Sicherheitsdienst.« Er ging zum Telefon neben dem Bett.
    »Nicht ich bin diejenige, die Stelazine nimmt, Eugene. Nicht ich bin hier die Geisteskranke.«
    Sein Finger verharrte über der Null-Taste des Telefons. »Also, Lady, eigentlich sollte ich ...«
    »Ach, halten Sie die Klappe, Sie Hohlkopf. Ich heiße nicht Lady, sondern Marilyn, aber das ist nicht von Bedeutung. Von großer Bedeutung ist allerdings, dass meine Tochter morgen den Titel gewinnt. Sie wird Für Elise spielen, und es ist völlig unerheblich, ob Miss Iowa auf offener Bühne einen Krebskranken heilt oder ob bei Miss Idaho die Wundmale Jesu aufbrechen, meine Tochter gewinnt. Punktum. Und Sie werden dafür sorgen.«
    »Das muss ein Witz sein.« Eugenes Gesicht entspannte sich. »Dahinter stecken doch die Jungs vom Sender.« 
    »Kein Witz.« 
    »Sie sind gut.«
    »Es gibt nichts, worin ich gut sein könnte, Eugene. Das hier ist die nackte Realität.«
    Eugenes Gesichtsmuskeln spannten sich, und er begann in der kühlen, gemessenen Sprechweise TV-gerechter Sachlichkeit weiterzureden. »Oh, wie dramatisch. Ich krieg's gleich mit der Angst. Sie würden vermutlich einen Mord begehen, damit Ihr Sprössling gewinnt. Ich wette, Sie und Ihre kleine Miss...« 
    »Wyoming.« Die Familie war zwar noch nicht dorthin umgezogen, aber Marilyn hatte bereits dafür gesorgt, dass zumindest Susan ihren offiziellen Wohnsitz in Wyoming hatte, indem sie unter ihrem Namen einen kleinen Lagerraum am Rand von Cheyenne angemietet hatte. Doch im Moment wollte sie vor allem Eugene aus dem Gleichgewicht bringen. »Sie tragen einen Fleischbikini, Eugene.«
    »Wa ... ?« Reflexartig griff er nach seinem besten Stück, in dem Glauben, es hätte sich womöglich selbstständig gemacht. »Lesen Sie das hier.« Sie nahm ein Bündel Fotokopien aus ihrer Handtasche und feuerte es auf den Bettüberwurf. Eugene konnte von seinem Ort aus sehen, worum es sich dabei handelte. »Wie buchstabieren wir ›Betrug ‹ , Eugene? Wir buchstabieren es F-B-I.« Marilyn ging zur Tür und riss sie auf. »Sie sind ein großer Fisch in einem winzigen Teich, Sie Eierkopf. Aber es ist mein Teich. Tun Sie, was ich von Ihnen verlange, und die Sache bleibt unter uns.« Sie trat hinaus und drehte sich noch einmal um. »Abgesehen davon könnten Sie mir nicht gleichgültiger sein. Sie ans Messer zu liefern wäre wie ein brennendes Haus mit Abwässern zu löschen. Es würde seine Aufgabe erfüllen, aber - na ja, denken Sie mal drüber nach. Wiedersehen, Eugene.« Sie schloss die Tür.
    Der Wettbewerb an jenem Abend lief wie geschmiert. Susan schaffte es bis ins Semifinale, spielte ihr Für Elise und stellte sich dann mit den anderen Finalistinnen direkt vor der Jurorenbank auf der Bühne auf. Sie fühlte sich großartig. Sie hatte

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