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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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können.
    Ein paar Stunden später ließen Susan und Trish, bewaffnet mit gefälschten Personalausweisen und dem Honda Civic von Trishs Tante, in Bierkneipen und hippen Bars die Sau raus und setzten dabei mit der ganzen Leidenschaft und Verzweiflung der Jugend Wogen zuckriger Energie frei. Nachdem sie noch weitere zwei Wochen gefeiert hatten, schlug Trishs Tante Barb vor, die beiden Mädchen sollten sie auf einer Autofahrt nach Los Angeles begleiten. Sie könnten sich beim Fahren ablösen.
    Und so machten sie sich auf den Weg, und erneut ließ Susan die Landschaft des Landes auf sich wirken - feindselig, kalt und prächtig, öde und leuchtend. Sie kamen bei Sonnenuntergang in Los Angeles an und erreichten, als der Vollmond über dem Pazifik aufging, Rancho Palos Verdes an der Küste. Sie trafen gerade rechtzeitig zum Abendessen - Sloppy Joes - bei Barbs Freundin ein, und von dort aus konnten sie in der Ferne die funkelnden Lichter von Avalon drüben auf der Insel Santa Catalina sehen. Das Essen war fast fertig, und Erwachsene wie Teenager wuselten umher. Susan fand ein ruhiges Arbeitszimmer und wählte Larry Mortimers Nummer. Eine Sekretärin nahm ab, und ein paar Atemzüge später war Larry dran. »Susan Colgate? Du bist eine sehr mutige Frau - bei einer Misswahl so einen Abgang zu machen!«
    Susan schmeichelte es, als Frau bezeichnet zu werden. »Das war kein Abgang, Larry. Ich habe - na ja - es ging nicht anders. Machen Sie mal hundert Schönheitswettbewerbe mit, und dann schreiben Sie mir eine Postkarte. Wir hätten uns bestimmt eine Menge zu erzählen.«
    »Du bist ganz schön helle. Das könntest du dir wirklich zunutze machen.«
    »Ich bin schon froh, dass mir meine Mutter nicht mehr im Nacken sitzt.«
    »Hast du schon mal geschauspielert?«
    »Waren Sie schon mal mit Krämpfen auf einem Schönheitswettbewerb? Oder mit der Grippe?« 
    »Eins zu null für dich. Wie alt bist du?« 
    »Mit der High-School bin ich fertig, falls Sie das meinen.« 
    »Nein, ich meinte ...«
    »Mit Baskenmütze und Kilt sehe ich aus wie vierzehn. Mit Make-up, ungünstigem Licht und zwei Bier intus gehe ich für dreißig durch. Mit Leichtigkeit.«
    »Was war die lächerlichste Misswahl, an der du je teilgenommen hast?«
    »Vor drei Jahren war ich Miss Nuclear Energy. Über meinem Kopf schwebte so eine kleine elektrische Krone in Form eines Atoms. Die war eigentlich ganz hübsch. Aber die Veranstaltung war das Letzte. Sie wurde nicht von Frauen, sondern von Männern organisiert, und das Einzige, was die bis dahin auf die Beine gestellt hatten, war eine Truthahn-Tombola zu Thanksgiving. Das Ganze war so - geschmacklos. Statt Schärpen bekamen wir Namensschilder.« 
    »Wir sollten uns mal treffen.«
    Susans Magen machte einen Satz wie auf dem ersten und höchsten Scheitelpunkt einer Achterbahn. Sie war aufgeregt. Das hatte sie nicht erwartet. »Wozu?«
    Barb kam an die Tür, um Susan zu sagen, dass die Sloppy Joes fertig waren.
    »Du könntest es wirklich weit bringen«, sagte Larry.
    »Wie weit?«
    »Film. Fernsehen.«
    »Sei still, mein Herz.«
    »Komm in die Stadt. Morgen.«
    »Morgen fahren wir nach Disneyland.«
    »Dann übermorgen.«
    Susan hatte das Gefühl, als sei er nur ein weiterer Conferencier, der sie auf irgendeine Bühne rief, wo sie erneut auf dem Prüfstand stehen würde. Nach ein paar Wochen ohne die Zwänge der Schönheitskonkurrenzen spürte sie, wie sie wieder unter Druck gesetzt wurde, und das war ihr unheimlich. Trish, die inzwischen nur noch auf »Dreama« reagierte, rief Susan zu Tisch. »Abendessen, Larry. Ich muss Schluss machen.«
    »Was gibt es denn?« »Sloppy Joes.« 
    »Ich liebe Sloppy Joes.« »Ich krieg davon Zellulitis.«
    »Zellulitis? Du bist doch noch ein Kind!«
    »Ich bin siebzehn.«
    »Uuh. Ich lass dich dann mal.«
    Sie schwiegen.
    Larry fragte sie: »Treffen wir uns?« 
    »Wie sehen Sie aus?«, fragte Susan.
    »In einem Film wäre ich ein Seemann im alten Stil, mit Sonnenbrand und Seesack, der gerade in einem Zopfpullover an Land geht.«
    Zwei Tage später trafen Susan, Dreama und Barb Larry in einem Straßencafe, in dem die Tischwäsche, das Geschirr und die Blumen weiß waren und der Service so gut, dass sie ihn gar nicht bemerkten. Larry kam zu spät, und als Susan ihn zum Tisch hetzen sah, schlug ihr Herz ein Rad. Larry war schon älter, hatte gelockte Haare, eine schroffe Art und war durch eine wunderbare Laune des Schicksals ein Klon von Eugene Lindsay, dem augenzwinkernden

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