Miss Wyoming
Hintergrund für Susan.
Die Beifallsstürme im Zuschauerraum legten sich. Alles war still.
Susan fragte sich, wie sie aufrichtig sein sollte, ohne jemanden zu verletzen. Sie sagte: »Ich danke Ihnen allen. Vielen Dank. Wie wir wissen, ist dies ein wichtiger Wettbewerb, und dass ich ihn gewonnen habe, bedeutet mir sehr viel.« An dieser Stelle machte sie eine Pause und suchte nach Worten. »Und ich glaube, eine der Eigenschaften, die wir an einer jeden Miss USA Teen am meisten schätzen, ist Aufrichtigkeit. Daher ist es nur fair, wenn ich jetzt ehrlich zu Ihnen bin.« Sie sah Marilyn an und wartete noch ein paar Sekunden, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Die Wahrheit ist, dass ich meine Nase momentan sehr viel in Bücher stecke - ich habe die High-School mit der Durchschnittsnote 3 minus abgeschlossen, und ich weiß, dass ich mehr kann - ich denke sogar daran, mich auf einen Platz am College zu bewerben. Ich werde einfach nicht die Zeit haben, meinen Pflichten als Miss USA Teen nachzukommen. Dieser Rolle wirklich gerecht zu werden ist ein Fulltimejob, und den sollte ein Mädchen machen, das sich ihm tausendprozentig widmen kann.« Langsam kam Susan in Fahrt. »Erst mein Sieg hat mir vor Augen geführt, welchen Stellenwert die Rolle der Miss USA Teen hat. Und so reiche ich im Namen der Aufrichtigkeit und der Fairness, mit klarem Kopf und glücklichem Herzen, die Krone weiter an Karissa Palewski, Miss Arizona Teen, ab jetzt Miss USA Teen. Karissa?« Sie drehte sich um und winkte Karissa zu sich, die, eben noch von Verliererhormonen überschwemmt, nicht gleich begriff, was ihr da beschert wurde. »Bitte komm nach vorn, damit ich dir meine Krone übergeben kann.« Die Tontechniker brachten ziemlich stümperhaft Vivaldis Vier Jahreszeiten zum Erklingen.
Marilyns schmerzerfülltes »Nein!« wurde von Applaus übertönt, während Ken, der Conferencier, mit den Schultern zuckte und Karissa zwecks Transfer von Diadem, Schärpe, Zepter und Rosen zu Susan eskortierte. Geschafft. Susan hüpfte leichtfüßig von der Bühne und sagte zu Marilyn: »Tut mir Leid, Mom, aber hiermit breche ich aus dem Knast aus. Ich bin nicht mehr deine Gefangene.« Sie verließ den Bankettsaal, während eine verwirrte Trish, die sich zu Recht vor Marilyns Zorn fürchtete, hinter ihr herstürzte.
Eine Woche verging. Susan war unterdessen bei Trishs Tante untergetaucht.
Marilyn und Don waren zurück in Cheyenne, wo Don Susan regelmäßig von einer Telefonzelle aus anrief, um zu verhindern, dass seine Gespräche mit Denver auf der monatlichen Telefonrechnung auftauchten. »Ich muss dir sagen, Sue, deine Mutter ist diesmal so in Rage wie ein Glas Hornissen.« Susan sah vor ihrem inneren Auge, wie Don in einer Telefonzelle neben einem Schuhladen mit einer Rolle Vierteldollarmünzen herumhantierte. Sie sagte: »Weißt du, Don - was willst du anderes erwarten? Ich meine, du bist mit ihr verheiratet, und ich bin ihre Tochter. Wir wissen doch beide genau, woran wir mit ihr sind, und ich kann sie einfach nicht mehr ertragen. Ich bin jetzt mit der High-School fertig. Willst du wirklich, dass ich Woche für Woche zu Hause herumhänge und nichts tue, außer mich in Moms Liebe zu sonnen?« An Dons Ende der Leitung war es still, und eine Registrierkasse machte im Hintergrund »Katsching«. »Hab ich mir gedacht. Im Moment bin ich bei Trish, und ich bin hier ziemlich gut aufgehoben. Ich habe einen Job - Teig kneten bei Pizza Slut. Das ist ein Anfang.«
»Tja, Sue, das hört sich doch ganz gut an.« Don besaß keine Initiative, betrachtete jedoch jede Spur davon bei anderen als gutes Zeichen. »Was gibt's sonst noch Neues da unten? Ich hatte früher mal einen Bruder in Denver. Jetzt lebt er in Deutschland, in den Patches Barracks bei Stuttgart.« Susan sagte: »Ich hänge mit Trish im Y am Pool rum. Sie beschäftigt sich jetzt mit Numerologie. Sie will sich in Zukunft Dreama nennen.« Sie konnte spüren, wie auf der Stelle sämtliche Fasern in Dons Körper vor Langeweile erschlafften. »Viel mehr gibt's nicht zu berichten, glaub ich.«
»Da hat so ein Typ angerufen. Aus Los Angeles. Ein Agent. Er heißt Mortimer. Larry Mortimer. Er sagt, du sollst ihn anrufen. Er hat in der Zeitung gelesen, wie du die Misswahl geschmissen hast.« Susan notierte die Nummer, und dann tauschten sie und Don höfliche Abschiedsworte, beide erleichtert, die Frage, was zu tun sei, um Marilyn zu beruhigen, auf ein anderes Telefonat, einen anderen Tag verschieben zu
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