Missbraucht
der Putzkolonne besorgt hatte. Er versuchte sorgfältig die Spuren zu beseitigen, während Bilder eines schrecklichen Unfalls vor seinem geistigen Auge abliefen.
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17.06.1994
Uwe Stromberg genoss die Fahrt in dem exklusiven Fahrzeug. Er hatte inzwischen ein viel zu enges T-Shirt vom Doktor gegen sein eigenes, von Baumels Blut verschmutztes Hemd getauscht. Auf seiner Jeans waren jedoch bei genauer Betrachtung jede Menge Spritzer von eingetrocknetem Blut zu erkennen.
Gerne hätte er dem Wagen mehr Leistung abverlangt, ihn einmal so richtig ausgetestet, aber Nicoletta hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass er sich immer hinter ihr halten und keinerlei Risiken und Eskapaden mit dem Auto eingehen sollte. Die Gefahr einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf dieser unbekannten Strecke und ein eventuell damit einhergehendes Foto, aufgenommen von einem der vielen, in diesem Kreis aufgestellten Messgeräten, mussten sie unter allen Umständen vermeiden. Ein Bild, auf dem dokumentiert war, dass Uwe Stromberg den Wagen des verschwundenen Kommunalpolitikers Baumel nachts durch den Schwarzwald steuert, wäre für die in jedem Fall tätig werdenden Ermittler, wie der Gewinn des Lottojackpots gewesen. Nur traute die Frau diese Überlegungen nicht unbedingt ihrem Liebhaber zu und deshalb hatte sie ihm die eindringliche Anweisung gegeben, sich immer hinter ihr zu halten. Komme, was da wolle.
Der Umstand, dass er im Kofferraum des Autos einen Toten transportierte, tangierte ihn nicht mehr. In ein paar Stunden würde die Leiche auf dem Grund eines Sees auf Nimmerwiedersehen verschwunden sein. Er kannte zwar das Ziel, aber nicht den Weg, doch er hatte keine Probleme damit, Nicoletta zu folgen. Zur Not hätte er sogar die Hilfe des Navigationssystems , mit dem der BMW als erstes deutsches Auto überhaupt, serienmäßig ausgestattet war, in Anspruch nehmen können. Welch ein Luxus dachte er und bei dem Gedanken an die 25000 Mark, die er in den Taschen seiner Hose hatte, drückte Uwe sich lächelnd in den schwarzen, ledernen und unter ergonomischen Gesichtspunkten gestalteten Fahrersitz. Er würde eine Flasche Champagner kaufen und mit Nicoletta im Bett richtig "anstoßen". Was für eine Frau! Mit ihr hatte er Dinge erlebt, die er bis dato nur aus einschlägigen Filmen kannte und von denen er immer geträumt hatte. Und jetzt, so sein Gedanke gehörten sie zusammen. Sie konnten zusammen nach Rumänien gehen, dort waren 25000 Mark eine Menge Geld. Damit würden sie sich eine Existenz aufbauen können. Dass an dem Geld, das Blut von Frank Baumel klebte, spielte keine Rolle für ihn. Der Idiot hätte die Finger von dem Kind lassen sollen, dann wäre er noch am Leben. Er hatte es nicht anders verdient.
Endlich bin ich mal oben, sinnierte er laut vor sich hin. Stromberg war ein großer, breitschultriger Kerl. Er wirkte älter als sechsundzwanzig, was wohl auch daran lag, dass er in seinen jungen Jahren aufgrund der persönlichen familiären Situation vieles entbehren musste, was für seine Alterskameraden selbstverständlich war. Das braune Haar trug er penibel kurz geschnitten und unterstrich damit sein kantiges und mit einer markanten Narbe, entlang des linken Backenknochens verziertes Gesicht. Von der äußeren Erscheinung konnte er Respekt einflößen. Das hatte es ihm einige Male leichter gemacht, denn wenn Nachdenken gefragt war, hatte er oft keine Antwort parat. Bis jetzt hatte es das Leben nicht besonders gut mit ihm gemeint. Als Achtjähriger war er mit seiner Mutter nach Montabaur gekommen. Seinen Vater hatte er gar nicht richtig erlebt, er war ständig irgendwo auf Montage gewesen, auf der er immer neue Beziehungen zu Frauen knüpfte. Eines Tages hatte Frau Stromberg genug von den Eskapaden ihres Mannes und zog einen Schlussstrich unter die Ehe. Mit ihrem Sohn versuchte sie einen Neuanfang in der sechs Kilometer entfernten Kreisstadt. Die Schule hatte Uwe mit Ach und Krach geschafft. Seine Leistungen waren bei eingehender Betrachtung unter ausreichend gewesen, aber die Lehrer hatten Mitleid mit dem Jungen, der bei seinen Altersgenossen als Außenseiter galt. Anerkennung verschaffte er sich durch seine Fäuste, obwohl er nie als besonders gewalttätig auffiel. War er allerdings in eine Auseinandersetzung verwickelt, dann stand der Sieger aufgrund seiner Größe und Stärke und seiner dabei an den Tag gelegten Rücksichtslosigkeit, meist schon im Vorhinein fest. Irgendwie schaffte Uwe wenigstens den Hauptschulabschluss.
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