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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Berk
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die offene Tür mit Hilfe einer billigen Lesebrille, die aktuellen Sportnachrichten im Fernsehen. Die erste Zigarette, die er mit Widerwillen rauchte, verursachte ihm Würgegefühle und an Frühstücken war überhaupt nicht zu denken. Richard zog eine Jeans an und holte sich ein frisch gewaschenes und ungebügeltes hellblaues Hemd, mit kurzen Ärmeln aus dem Schlafzimmerschrank. Damit nicht jedem sofort seine Dienstwaffe ins Auge fiel, trug er das Hemd lässig über der Jeans. Gut, dass sie heute nach Montabaur fuhren, das war das Beste, was passieren konnte. Um Viertel vor sieben setzte er sich ans Steuer seines Nissans und fuhr ins Präsidium. Nur schnell wieder raus hier dachte er, als er auf seinem Stuhl im Büro Platz genommen hatte. Die Sonnenbrille nahm er nicht ab, sie schützte vor dummen Fragen. Trotzdem, oder gerade deshalb wusste jeder im Präsidium, was Sache war. Der gestrige Abend hatte Spuren hinterlassen. Halb drei! Er gestand sich immer ein, dass er zu alt für solche Aktionen war, vor allen Dingen, wenn er am nächsten Tag Dienst tun musste, aber er scheiterte ständig daran, den geplanten Absprung zu schaffen. Immer gehörte er zu den Letzten. Dementsprechend fiel übrigens stets seine Zeche aus.
    Als Sandra kam, sah sie sofort, wie es um ihn stand.
    "Oh, oh, oh, die Brille"
    "Fliege im Auge", sagte Richie wohl wissend, dass jede Erklärung überflüssig war.
    "Trägt der Herr nur seine Ray Ban spazieren, oder war der gestrige Abend so hart?"
    "Frag nicht, lass uns fahren. Ich muss hier raus, mir ist nicht gut."
    Die Kriminalmeisterin setzte sich erst mal und sortierte ihren Schreibtisch. Der sah zwar noch genauso aus wie gestern, als sie das Büro verließ, aber auf dieses Ritual verzichtete sie keinen Morgen.
    "Hast du dir den Bericht durchgelesen Richard?"
    "Ja, aber ich lese ihn gleich noch mal. Du musst eh fahren."
    "Ich, warum? Du bist doch immer so scharf auf das Fahren", Sandra erwartete keine Antwort. Es war lediglich als weitere Spitze gedacht.
    "Red nicht, komm!"
    "Moment noch. Hier das mach ich erst fertig, solange musst du jetzt warten. Lies in der Zeit den Bericht, dann bist du wenigstens auf dem Laufenden."
    Richard konnte den Bericht nicht lesen, ohne die Sonnenbrille abzunehmen. Er konnte kaum noch etwas lesen ohne Brille, deshalb hatte er sich im Laufe der letzten Zeit jede Menge Lesehilfen zugelegt, die er überall verstreut hatte. Eine richtige Brille konnte oder wollte er sich nicht leisten. Außerdem fiel es ihm insgeheim schwer, sich einzugestehen, dass seine Sehkraft dem Alter Tribut zollen musste. Als er die Sonnenbrille abnahm, offenbarte sich die ganze Wucht seines gestrigen Abends.
    "Wow!" entfuhr es Sandra , als sie ihren Kollegen ansah. "Na, das sieht aber nicht nach Kindergeburtstag aus."
    Richard nahm die spitzfindige Bemerkung äußerlich gelassen zur Kenntnis, aber sie traf ihn schon, obgleich er wusste, dass Sandra es nicht verletzend meinte. Aber diese Bestätigung seiner eigenen Einschätzung war wie ein Nadelstich. Er wollte nicht länger darüber nachdenken und machte sich daran, den Bericht noch einmal zu lesen. Viel Ergiebiges konnte er nicht finden und er war weiterhin der Meinung, dass es ein normaler Routinefall werden würde. Das Lesen strengte ihn an. Er hatte Konzentrationsschwierigkeiten und musste sich in diesen Momenten immer eingestehen, dass er einfach längere Regenerationszeiten brauchte als früher.
    Entweder ließ sich Sandra extra viel Zeit oder sie hatte doch mehr zu erledigen als gedacht. Richard wurde ungeduldig, die Luft im Büro tat ein Übriges, er wollte nur raus. Entgegen den sonstigen Gepflogenheiten war die büroeigene Kaffeemaschine an diesem Morgen noch nicht zum Einsatz gekommen.
    "Ich geh mal einen Kaffee holen, bis dahin wirst du wohl fertig sein", sagte er so, dass sie es als Aufforderung zur Eile verstehen musste . Richard ging zum Aufzug, um in den dritten Stock zu fahren und sich dort am Automaten einen Becher jenes Kaffees zu besorgen, der seinem Magen, nach solchen Abenden wie gestern immer den Rest gab.
    Als er zurückkam, war Sandra soweit. "So, von mir aus können wir. Ich hab Bescheid gesagt." Sie winkte ihm schon mit dem Schlüssel zu.
    "Na also, geht doch. Dann komm, du fährst."
    Sandra war ein Goldstück. Eine bessere Kollegin konnte er sich nicht wünschen. Es passte bei den beiden einfach und sie ergänzten sich gut. Dabei war es meist die junge Polizeimeisterin, die Richards "Defizite" auf- oder nacharbeiten

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