Missbraucht
er hatte inzwischen Routine darin, die Symptome zu unterdrücken.
Richard setzte sich an seinen Schreibtisch und zündete sich die Zigarette an.
"Ich fahre jetzt noch mal nach Montabaur Mädel, kommst du mit oder willst du deine Zeit hier totschlagen?“, sagte er, als plötzlich sein Handy klingelte.
"Mees", meldete er sich. Seine Tochter war am Ende der Leitung und hatte einen dringenden und massiven monetären Engpass zu vermelden.
" Anna hör zu. Du kommst jetzt in meine Wohnung, wartest auf mich und in einer halben Stunde bin ich da, ist das Okay? Schaffst du das?"
Er bekam die Bestätigung und das Gespräch war beendet.
"Ah, schon wieder Geld weg. Pass bloß auf, dass du keine Kinder bekommst, kosten nur Geld", scherzte er. Für seine Tochter würde er alles tun, ihr konnte er einfach nichts abschlagen. Sie war der Fixpunkt in seinem Leben. Insgeheim machte er sich, gerade wenn er getrunken hatte und in Selbstmitleid zerfloss, Vorwürfe wegen der Trennung von ihrer Mutter. Dabei kam er mit seiner Frau inzwischen wieder sehr gut aus. Sie lebte mit ihrem neuen Freund und Anna zusammen am Rand von Güls in fast schon ländlicher Umgebung. Zweimal im Monat trafen sie sich zum Kaffee, um über die Entwicklung des Töchterchens zu sprechen und allgemein anliegende Dinge, die noch aus der Zeit ihres Zusammenlebens stammten zu bereden. Eine Scheidung wurde aus finanziellen Gründen nicht ins Auge gefasst und eigentlich sah auch keiner der beiden eine dringende Notwendigkeit dafür.
"Du kannst der Kleinen ruhig mal was zustecken, das Geld gibst du wenigstens nicht für anderen Scheiß aus", sagte sie immer . Dass seine Frau die Trinkerei gar nicht meinte, verstand er nicht. Sie spielte auf seine Zockerei an, die ihn im Laufe seines Lebens schon eine Unsumme Geld gekostet hatte und einer der Hauptgründe war, warum er ständig vor der Pleite stand. Er interpretierte ihre Bemerkungen als Anspielung auf seinen hohen Alkoholkonsum. Das zeigte nur, wie sehr sich Richard inzwischen selbst Gedanken über sein Trinkverhalten machte.
"Gib der Kleinen ruhig was, sie ist schließlich deine Tochter", Sandra fuhr ihm in die Parade, obwohl sie genau wusste, dass Anna von ihrem Papa die gewünschte Unterstützung erhalten würde.
"Ist schon klar. Ihr Frauen haltet zusammen. Was ist denn nun, kommst du mit?"
In diesem Moment kam Wolfgang Wolz zusammen mit Polizeidirektor Paul Mertes ins Büro. Richard beeindruckte der hohe Besuch weniger, wohingegen man der Polizeimeisterin den gebotenen Respekt ansah.
"Richard, wie sieht es denn jetzt aus mit dem Bericht über deinen Crash mit der Alten?", wollte Wolz wissen.
"Oh, die oberste Heeresleitung samt Geleitschutz! Guten Morgen die Herren!", Richards Begrüßung fiel fast überschwänglich aus.
"Tja, der Bericht. Hm, ich komm einfach nicht dazu, soviel um die Ohren im Moment", die beiden Beamten hörten aus Richards Antwort eine gehörige Portion triefender Ironie.
"Richard, machen Sie irgendwas, schreiben Sie ein paar Sätze und dann ist das gut. Sehen Sie zu, dass ich das auf den Tisch bekomme und die Sache geht ihren Gang", der Polizeidirektor zeigte sich auffallend nachsichtig.
"Was ist denn daran auf einmal so wichtig, Herr Mertes? Die Sache ist noch frisch?" Richard verstand die Hektik nicht ganz. In ähnlichen Angelegenheiten hatte er sich manches Mal über vierzehn Tage Zeit gelassen und jetzt wurde ein Bohei darum gemacht, als hinge der Weltfriede davon ab.
"Sie wissen, dass die Innere Sie auf dem Kieker hat", der Polizeidirektor klang richtig fürsorglich, "Ich will nicht einen meiner besten Männer in den Innendienst versetzen müssen."
"Danke Herr Mertes!" Richard sagte es aufrichtig und nickte mit dem Kopf. "Aber sind Sie extra deshalb persönlich in unser Büro gekommen?"
Unter normalen Umständen duzte Richard den Polizeidirektor. Sie arbeiteten jetzt achtzehn Jahre zusammen und schon einige Male hatte Mertes seinen Kommissar aus Situationen, die alle disziplinarische Konsequenzen nach sich gezogen hätten, herausgeholfen. Allerdings hatte sich Richard dafür mit der Klärung der beiden spektakulärsten Fälle der letzten Jahre revanchiert, für die der Ruhm einzig auf den Polizeidirektor gefallen war. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Oberkommissar Wolz und die Polizeimeisterin Götze anwesend waren, bewahrte Richard die Form und benutzte das förmliche Sie. Paul Mertes war ein Mann in den Fünfzigern. Er war groß und wirkte athletisch, wie jemand, der
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