Missbraucht
zu Hause wieder einmal eskaliert war. Von Schlägen gezeichnet, hatte sie das Nötigste zusammengepackt und bei ihrer Freundin Gisela Schutz vor weiteren Gewalttätigkeiten gesucht. Gisela brachte sie umgehend bei ihren Schwiegereltern im Ort unter und bestärkte Petra anschließend darin, sich an die Diakonie zu wenden um dort Hilfe zur Bewältigung ihrer verfahrenen, familiären Situation in Anspruch zu nehmen. Aber die anberaumten, gemeinsamen Termine mit ihrem Ehemann scheiterten alle mehr oder weniger. Ihr Mann sah es schon bald nach der ersten Zusammenkunft nicht mehr für nötig an, sich an Abmachungen zu halten. Die vereinbarten Unterhaltszahlungen für Petra und seine Tochter stellte er nach nur einem Monat ein. Die Mitarbeiterin der Diakonie intervenierte zwar einmal persönlich bei Herrn Gerz, doch nach dessen unmissverständlicher Androhung von massiver Gewalt, zog sie es vor, die Sache der Justiz zu übergeben. Wegen der daraus resultierenden finanziell schwierigen Lage sah sich Petra gezwungen Sozialhilfe zu beantragen, die ihr sehr schnell bewilligt wurde. Das war jetzt sieben Monate her. Ihr Mann verweigerte weiterhin jede Unterstützung und deshalb war Petra auf solche Jobs, wie jenem bei Gisela, mehr denn je angewiesen und sie erwies sich für das Pächterpaar als Glücksfall.
Inzwischen war es dunkel und seit mehr als einer Stunde waren die letzten Gäste gegangen. Der Wetterbericht sagte sogar noch höhere Temperaturen voraus und deshalb war damit zu rechnen, dass sich der Betrieb morgen auf dem gleichen Niveau, wenn nicht sogar höher bewegen würde.
"Wenn das wirklich wieder so warm wird, warum sollen uns meine Eltern dann nicht helfen? Für uns drei ist das zu viel, hast du doch heute gesehen. Wir hätten noch mehr verkaufen können, wenn du nicht zwischendurch nach Offenburg gefahren wärst." Gisela war froh, dass es auf Feierabend zuging, sie freute sich aber auch wegen der wohl höchsten Einnahme, die sie bisher hatten.
"Wenn ich nicht nach Offenburg gefahren wäre, hätten wir kaum was gehabt, was wir verkaufen konnten, oder siehst du das anders?" Es war eine rhetorische Frage, die Gisela ihrem Mann selbstverständlich nicht beantwortete.
"Meinst du, du kannst sie fragen?", harkte er nach.
"Wilfried, das sind meine Eltern, klar kann ich sie fragen.“
Es klang fast wie ein Vorwurf an ihren Mann. Ihre Eltern, die nur knapp sieben Kilometer von Achern, in Gamshurst wohnten, hatten sich schon des Öfteren angeboten zu helfen, aber Wilfried war das nicht recht. Er wollte sich ihnen nicht noch mehr verpflichtet fühlen, obwohl ihm Gisela immer versicherte, dass sie es gerne machen würden. Giselas Eltern hatten ihnen immer wieder mit Geld ausgeholfen. Auch bei der Übernahme des Lokals, als es um die neue Bestuhlung und die Renovierung der Toiletten ging, hatten sie sich finanziell eingebracht. Sie jetzt zu fragen, war Wilfried irgendwie peinlich, obwohl er genau wusste, welche Erleichterung das wäre, außerdem machten sie es gerne und Giselas Vater war ein geborener Zapfer. Zu dritt würden sie so einen Tag nicht mehr schaffen, das war ihm klar, er musste zugeben, dass der Betrieb seinen Tribut forderte. Wilfried hatte schon einiges in beruflicher Hinsicht versucht. Irgendwie hatte alles nicht so richtig geklappt. Als sich ihnen die Chance bot, dieses Lokal zu pachten und sie das Glück hatten, vom Verkehrsverein Achern e. V. den Zuschlag zu bekommen, hatten sie zugegriffen. Wilfried war in Achern groß geworden, er war allseits bekannt und eigentlich gut gelitten, was sich bei der Vergabe für die Pacht des Lokals als großes Plus herausstellte. Der Verein wollte ihm die Chance geben und er griff zu, obwohl er eigentlich keinerlei finanzielle Mittel hatte, um die geplanten Ausstattungspläne umzusetzen. An diesem Punkt kamen Giselas Eltern ins Spiel und griffen ihren Kindern mit einer nicht unerheblichen Summe unter die Arme. Wilfried war inzwischen einundvierzig, langsam musste eine berufliche Existenz greifen. Bisher war seine Laufbahn immer von erheblichen Rückschlägen gezeichnet, die es unmöglich machten, mit einem seriösen Kreditinstitut zusammen ein finanzielles Grundfundament
zu erstellen. Die Raiffeisenbank Achern hatte sich zwar aufrichtig um ein Konzept für Wilfried bemüht, aber egal was ins Auge gefasst wurde, alles scheiterte letztendlich am angeblich fehlenden Eigenkapital. Daher mussten Wilfried und Gisela die Hilfe ihrer Eltern in Anspruch nehmen. Die beiden waren
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