Missbraucht
Leiche Ilias stand, und ihm das Benzin über den Kopf goss. Die Kanister warfen sie anschließend achtlos in den Raum.
"Gib mir Feuer!", bat Uwe leise.
Die Frau sah ihn erstaunt an. "Wie Feuer? Sag bloß du, hast kein Feuer", ihr fiel fast die Kinnlade herunter.
"Woher soll ich Feuer haben?", fragte Uwe verärgert zurück, obwohl ihm im gleichen Augenblick bewusst wurde, dass er einen unverzeihlichen Fehler begangen hatte. Jetzt war nichts mehr mit Profi, er kam sich vor wie ein kleiner Junge.
"Das darf nicht wahr sein. Du bist so ein dummes Arschloch, das gibt´s doch nicht." Die Frau spürte nur noch tiefen, ja abgrundtiefen Hass gegenüber diesem Versager.
Uwe konnte nichts sagen.
In beiden Köpfen arbeitete es. Plötzlich trat Nicoletta vor, ging in die Werkstatt und begann den toten, nach Benzin stinkenden Ilia zu durchsuchen. Er hatte Feuer. Sie fand es in seiner Brusttasche und beim Herausziehen überkam sie das Gefühl, einen der spitzen, tödlichen Zinken in seinem Rücken zu fühlen. Für einen kurzen Augenblick fröstelte es sie.
Mit dem Rest des Benzins zogen sie eine fast zehn Meter lange Spur weg von der Tür, die sie jetzt geschlossen hatten. Die Plastiktüte mit Baumels Händen hielt sie in der Hand, als sie ein Stück Papier anzündete und damit das Inferno entflammte.
Wie eine Kobra suchte sich die Flamme rasend schnell ihren Weg unter der Tür hindurch, um in einer dumpfen Verpuffung in einem gleißenden Feuerball aufzugehen. Sofort war ein Großteil des rückwärtigen Gebäudebereichs ausgeleuchtet. So schnell sie konnten entfernten sich die beiden Brandstifter vom Tatort. Das schummrige Licht, das durch die Rollläden des Küchenfensters fiel, entging ihrer Aufmerksamkeit, als sie in dem schwarzen Corsa, das Gelände fluchtartig verließen.
Petra Gerz war zu diesem Zeitpunkt immer noch mit Putzen beschäftigt und ließ es zu den Klängen von Bruce Springsteen genauso rockig wie zügig angehen. Inzwischen fraß neben ihr das Feuer an den Leichen von Frank Baumel und Ilia Popesci.
*
18.06.1994
"The Boss" Bruce Springsteen ließ die Küche und Petra rocken. Sie hatte sich ein kleines Fläschchen Prosecco gegönnt und der Stiel des Schrubbers war ihre Gitarre. Sie war froh, dass sie heute Abend und morgen früh, ein paar Stunden zusätzlich arbeiten konnte, denn im Moment stand ihr jede Mark gut zu Gesicht. Der Juni und der Januar waren für sie wie für viele andere, die beiden härtesten Monate. Die Versicherungen wurden fällig und dann blieb ihr von ihrem ohnehin nur schmalen Arbeitslosengeld kaum etwas übrig. Deshalb ihre Freude über jeden Sonnentag, an dem sie ihren Freunden helfen konnte. Dennoch war sie erleichtert, als sie ihr Pensum geschafft hatte. Der Tag war auch an ihr nicht ganz spurlos vorübergegangen, langsam kam sie an ihre Substanz. Na ja, Hauptsache geschafft , dachte sie sich. Den Eimer mit dem Putzwasser kippte sie einfach vor der Eingangstür auf die Straße. Für einen Moment genoss Petra die Ruhe und atmete tief durch. Sie wusste, dass Ilia Popesci, den sie flüchtig als Nicu kannte, in der kleinen Wohnung im Wirtschaftsgebäude wohnte, trotzdem war es ihr etwas unheimlich, so alleine draußen in der Nacht zu stehen. Jetzt war ihr einfach nur noch nach Schlafen. Sie würde morgen um sechs Uhr aufstehen und dann gemütlich den großen Schank- und Speiseraum putzen. Von der Zeit her war das überhaupt kein Problem, dass würde sie locker schaffen. Dass es auf der rückwärtigen Seite des Gebäudes inzwischen taghell war, bemerkte Petra Gerz nicht. Sie ging zurück ins Haus, verschloss die Tür von innen und stellte den Eimer samt Schrubber in die Küche. Er sollte schließlich morgen früh wieder zum Einsatz kommen. Petra zog sich die engen Putzhandschuhe aus und ging zu den Besuchertoiletten, die am Ende des großen Raumes waren. Sie machte die Tür auf und erschrak.
Petra Gerz hatte den Lichtschalter noch nicht betätigt und dennoch fiel soviel Licht durch das Fenster, das sich nach hinten raus zum See öffnen ließ, dass fast der gesamte Toilettenraum ausgeleuchtet war. Ungläubig bestaunte sie das Szenario. Sie hatte keine Erklärung dafür, was gerade passierte. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie stürzte zum Fenster und öffnete es. Alles hell! Für einen Moment schaute sie wie erstarrt auf die Flammen, die links von ihr aus den Fenstern der kleinen Werkstatt schlugen. Sie schrie sich die Angst und Hilflosigkeit aus dem Leib. An Ilia
Weitere Kostenlose Bücher