Missgeburt
Finger.«
»Was genau war dir an dem Kerl nicht geheuer?«
»Ich hab dir doch gesagt, ich kann das nicht erklären, es war nur so ein Gefühl. Auf jeden Fall hat er einen richtig unangenehmen Eindruck gemacht, geradezu unheimlich. Genauer kann ich dir das auch nicht beschreiben. Aber wenn du ihm mal begegnen solltest, verstehst du bestimmt sofort, was ich meine.«
»Hast du einen von den beiden noch mal gesehen, nachdem du dich verweigert hast?«
»Nur den Zwerg. Er kam noch ab und zu vorbei, um eine Nummer zu schieben.«
»Wann war das zum letzten Mal?«
Sie überlegte kurz. »Vor sechs Wochen vielleicht?«
»Weißt du irgendwas über eine Party in Schwartz’ Wohnung?«
»Nur das, was ich im Radio gehört habe. Dass er nach einer Party in seiner Wohnung gestorben ist. Ich war jedenfalls nicht eingeladen, und wenn, wäre ich sicher nicht hingegangen.«
»Kannst du mir sonst noch etwas über diesen geheimnisvollen Freund sagen, was mir vielleicht helfen könnte, ihn zu identifizieren? «
»Nee, kann ich leider nicht. Deine Stunde ist übrigens gleich um.« Sie reckte Samuel ihren Vorbau entgegen. »Soll ich dir nicht doch noch schnell einen blasen?«
Samuel erlaubte sich erst gar nicht, darüber nachzudenken. Es wäre nichts dabei gewesen, aber vielleicht musste er ja noch mal herkommen und ihr weitere Fragen stellen, und in Hinblick darauf war es sicher besser, nicht auf ihr Angebot einzugehen. Er stieg die knarrende Treppe hinunter und verließ die billige Absteige. Es war fast drei Uhr morgens, und selbst die Neonreklame des Sinaloa war abgeschaltet.
Er ging das kurze Stück zu seiner kleinen Wohnung zu Fuß und überlegte unterwegs, wer dieser Unbekannte mit den abartigen Vorlieben sein könnte.
16 DAS GEMÄLDE
W o steckst du die ganze Zeit?«, dröhnte eine Stimme aus dem Hörer, während der Reporter noch unbeholfen mit dem Telefon hantierte und auf die Reihe zu bekommen versuchte, wo er war und wer ihn da anrief.
»Wie spät ist es überhaupt?«, fragte Samuel mit belegter Stimme und versuchte heftig räuspernd, die Augen aufzubekommen.
»Was?«, gellte die Stimme ungehalten aus dem Hörer.
»Wie spät ist es?«
»Hast du etwa wieder zu saufen angefangen? Hier ist Perkins. Es ist halb elf vormittags, und du liegst immer noch mit einem Kater im Bett.«
»Oh, Charles, du bist’s«, brachte Samuel mühsam hervor und starrte auf das schmutzige Fenster seiner Wohnung. »Bei mir ist es gestern etwas spät geworden. Bin verschiedenen Anhaltspunkten nachgegangen und erst im Morgengrauen nach Hause gekommen.«
»Was du nicht sagst. Komm schnellstens bei mir vorbei. Ich habe interessante Neuigkeiten über das Gemälde, das du mir geschickt hast.«
»Und was sind das für Neuigkeiten?«, fragte Samuel, der allmählich einen klaren Kopf bekam und sich erinnerte, dass Bernardi ein Foto des großen Gemäldes, das Schwartz bei seinen Predigten in der Kirche entrollt hatte, an die Bundesanwaltschaft
geschickt hatte, um auf diesem Weg vielleicht etwas über seine Herkunft in Erfahrung bringen zu können.
»Ich möchte dich und deinen Freund von der Polizei auf der Stelle hier in meinem Büro sehen.« Perkins legte ohne ein weiteres Wort auf.
Als Samuel mit dem Lieutenant schließlich kurz nach eins im Büro des Assistant U.S. Attorney im Federal Building eintraf, hatte er Bernardi unterwegs bereits alles über den Abend im Sinaloa und die Begegnung mit Veronica erzählt.
»Hast du schon eine Idee, auf wen die Beschreibung dieses Perversen zutreffen könnte?«, fragte Bernardi.
»Keine Ahnung. Bisher war von diesem Kerl nie die Rede. Aber wenn ich mir so vorstelle, wie er und Schwartz gemeinsam um die Häuser gezogen sind, würde es mich nicht wundern, wenn er derjenige war, der nach dem Mord alle Spuren in der Wohnung des Zwergs beseitigt hat.«
»Das sind aber alles nur Spekulationen, Samuel.«
»Weiß ich. Aber das spielt im Moment keine Rolle. Wir dürfen uns nämlich gleich mit diesem Wichtigtuer Perkins rumschlagen, der bestimmt irgendwelche Gegenleistungen für die Informationen verlangt, die er uns anzubieten hat. Denn eines kann ich dir jetzt schon garantieren: Umsonst kriegst du von diesem Kerl nichts. Es muss immer auch was für ihn herausspringen.«
Perkins ließ sie erst einmal bis zwei Uhr warten. Als er sie dann endlich in sein Büro rief, postierte er sich vor einem Foto, auf dem das Ölgemälde aus Schwartz’ Kirche in Originalgröße wiedergegeben war. Es war von weißen Strichen
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