Missing in Action
metallisch – ein kleiner Metallzylinder rutschte über den Boden.
»Granate!«, brüllte John und warf sich nach hinten. Halb landete er auf der Schulter, der Kolben des Sturmgewehrs wurde ihm schmerzhaft in die Seite getrieben. Er öffnete den Mund, so weit er konnte.
Dann wurde die Welt weiß.
Ein schrecklicher Schlag traf ihn, er spürte die Explosion mehr, als dass er sie hörte. Verwirrt blickte er sich um. Vor seinen Augen tanzten weiße Flecken, nahmen ihm jede Sicht, und in seinen Ohren dröhnte ein unablässiges Klingeln, lauter als jede Glocke. Seine Finger
suchten die Waffe, aber er wusste nicht einmal mehr, wie man sie benutzte. Er rollte auf den Bauch, sah Grasse halb in den Eingang zur Krankenstation geduckt, Cao im Durchgang zum Cockpit. Seine Waffe schoss, aber sie war zu leise, um das dämonische Klingeln zu übertönen. Grasses Mund öffnete sich, es sah irgendwie skurril aus. Irgendetwas zupfte an Johns Hosenbein. Er hob den Kopf, sah an sich hinab und bemerkte die fremden Menschen, die mit ihren Waffen im Korridor hockten. Eine Frau, sie war noch jung, richtete die Mündung auf ihn. Ein Mann stand halb im Eingang und schoss unablässig über John hinweg. Ein Teil von ihm wusste, dass er handeln musste, aber diese Stimme ging im Klingeln unter. Alles geschah so langsam, so unwirklich.
Dann fiel Jamie von der Decke – einfach so. Die junge Frau wurde zur Seite gestoßen, die Augen weit aufgerissen. Die Waffe fiel aus ihren Händen, die nach dem Griff des Messers suchten, das in ihrer Kehle steckte.
Bei diesem Anblick beschleunigte sich Johns Welt wieder. Zwar konnte er noch immer nichts hören, aber jetzt wusste er, dass es eine Schockgranate gewesen war. Und er wusste auch wieder, wie er seine Waffe abfeuern musste.
Er tat es im Liegen. Jamie war nach hinten gesprungen, aus dem Schussfeld der Feinde, aber einer setzte ihr nach. Johns Feuerstoß traf ihn in die Seite, hob ihn von den Füßen, zerfetzte Uniform, Haut, Fleisch, ließ Blut an die grauen Metallwände spritzen. John ließ den Finger einfach auf dem Abzug, feuerte so wild,
dass sich Jamie auf den Boden fallen lassen musste. Hinter sich vernahm John Schritte, dann stand Grasse über ihm, sah herab. Er nickte kurz, und sie zielte auf den Eingang zum Besprechungsraum.
Die noch immer flach auf dem Boden liegende Jamie packte das Bein der jungen Frau, die halb im und halb außerhalb des Zimmers lag und deren Blut über den schiefen Boden bis zur Wand floss. Die Beine zuckten noch, die Hände waren nun fest um das Messer geschlossen. Mit einem Ruck riss Jamie die Frau zu sich heran. Einige Schüsse fielen, aber John sah es nur an den Splittern, die durch die Luft flogen – hören konnte er nichts.
Mit geübtem Griff löste Jamie zwei Granaten vom Gürtel der Frau, robbte durch ihr Blut zur Tür. John feuerte über sie hinweg, um ihr Deckung zu geben. Die Sicherungsstifte flogen davon, und Jamie rollte die Granaten mehr, als dass sie sie warf, durch die offene Tür. Sie sprang zur Seite, über die sterbende Frau hinweg.
Zum zweiten Mal an diesem Morgen explodierten Granaten, aber diesmal war John besser vorbereitet. Als das Leuchten vor seinen geschlossenen Augen verschwand, sprang er auf. Grasse rannte bereits an ihm vorbei, und auch Jamie hatte ihre Feuerwaffe in der Hand. Schulter an Schulter liefen die beiden Frauen in das Besprechungszimmer, dicht gefolgt von John.
Gestalten taumelten umher. In der Enge war die Wirkung der Schockgranaten zerstörerisch gewesen. Ohne Mitleid feuerte Jamie auf einen, der seine Waffe in ihre
Richtung hob, dabei aber orientierungslos wirkte. Grasse trat einer Frau vor die Brust und sandte sie zu Boden. Innerhalb von Sekunden hatten sie ihre Feinde ausgeschaltet und unter Kontrolle gebracht.
Heftig atmend stand John mitten im Raum. Grasse und Jamie zerrten die Gegner alle an eine Wand, wo sie sie auf die Knie zwangen. Erst jetzt bemerkte John, wie schwindlig ihm war, und er setzte sich für einen Moment.
Er wollte laut Fuck sagen. Vermutlich tat er es auch, nur hören konnte er es nicht. Als alles unter Kontrolle schien, kam Grasse zu ihm und redete auf ihn ein. Ganz entfernt, wie durch Ohrstöpsel gedämpft.
»John? Alles in Ordnung? John?«
Matt nickte er. Mit dem Zeigefinger machte er einige kreisende Bewegungen vor seinem Ohr.
Sie verstand. »Vielleicht ein Knalltrauma«, erklärte sie. »Ich schaue es mir später an.«
Ihm war bewusst, dass sie ihn nur beruhigen wollte, denn gegen den
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