Missing in Action
nicht nach den Viechern aus, die wir schon einmal getroffen haben. Die Wunden sind anders. Und ich glaube nicht, dass die mit ihren Krallen solche Schnitte hinkriegen würden.«
John brummte zustimmend.
»Eines irritiert mich außerdem«, fuhr Grasse fort. Als sie nicht weitersprach, sah John sie auffordernd an. Dennoch zögerte sie einen Moment, bevor sie erklärte: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie freiwillig tiefer in den Wald gegangen sind, aber die Spuren weisen darauf hin. Sie haben keine Meldung gemacht, und wenn es am Sensor irgendeinen Kampf gegeben hätte, hätten wir doch Spuren finden müssen. Blut, Kleidungsfetzen, irgendwas.«
»Vielleicht wurden sie gezwungen, mitzugehen«, sprach John aus, was sie beide dachten. Er musste ihr nicht ins Gesicht sehen, um zu erkennen, dass ihr der Gedanke ebenso wenig gefiel wie ihm.
»Das würde bedeuten …«
»Eine gezielte Extraktion. Vielleicht wurde der Sensor hauptsächlich zerstört, um jemanden aus dem Lager zu locken.«
»Das spräche für intelligente Problemlösungsstrategien.«
John lachte humorlos. »Schön gesagt. Es würde bedeuten, dass wir auf diesem roten Drecksball nicht allein sind. Wäre nicht das erste Mal, dass man auf
Ahumane trifft. Sie müssen nicht einmal besonders clever sein. So was kann man auch mit Steinmessern anrichten.«
Er deutete auf die beiden Toten. Wenn es wirklich Außerirdische waren, ahumane Wesen, dann war ihre Lage noch einmal deutlich schwieriger geworden. Ein Erstkontakt war schon unter optimalen Bedingungen nicht einfach. Normalerweise wurden auf Missionen, auf denen mit so etwas zu rechnen war, immer Experten mitgeschickt, die in Kommunikationsstrategien und Ethnozeugs geschult waren.
John versuchte sich zu erinnern, was er in dem kurzen Seminar gelernt hatte, das SE dieser Problematik gewidmet hatte. Nicht viel, wie ihm auffiel. Einer der Veteranen hatte ihm von der Seite zugeflüstert: Erst schießen, dann quatschen . Bislang war John dies immer als unvernünftige Taktik erschienen, aber angesichts der Leichen musste er diese Position vielleicht überdenken.
Sie schwiegen, während sie auf die Rückkehr der anderen Teams warteten. Als sie endlich kamen, sprach niemand. Leise wurden die Toten vorsichtig in die Leichensäcke gepackt. Als John den Reißverschluss vor Lamberts Gesicht hochzog, schnürte sich seine Kehle zu. Dann verschwanden die blonden Locken aus seiner Sicht, und zurück blieb nur ein schwarzer Plastiksack.
Langsam erhob sich John, räusperte sich einmal und sagte dann: »Abmarsch.«
Es brauchte keine weiteren Befehle. Vier Leute packten die Leichensäcke und trugen sie jeweils zu zweit
zwischen sich, während der Rest vor und hinter ihnen ging und sicherte. Die Anspannung der Suche war von John gewichen. Auf eine schwer bestimmbare Art ahnte er, dass die Gefahr vorüber war. Seine Justifiers schienen es ebenfalls zu spüren – Instinkt, sagte er sich selbst. Die anderen waren nervös und eingeschüchtert. Es war ein Trauermarsch, der sich den Weg durch den Dschungel zurück zum Shuttle bahnte.
Sie hockten sich etwas abseits des Lagers in einem Kreis zusammen. Blasse Gesichter, unruhige Augen. John zog einen der langen, biegsamen Stöcke aus dem Untergrund der niedrigen Vegetation und begann damit, die Umrisse des behelfsmäßigen Lagers in den ockerfarbenen Staub zu kritzeln.
»Ich hab das mal gesehen, in so’nem 3DCube«, sprudelte es unvermittelt aus Shakey raus.
»Was?«
»Da sind Leute verschleppt worden. In die Wälder. Und nachher hat man auch nur Leichen oben in den Bäumen gefunden. Und als sie Marines hinterhergeschickt haben, wurden die abgemetzelt, einer nach dem anderen.«
»Und?«, fragte Bull trocken, obwohl ihm bereits klar war, worauf die Geschichte hinauslief.
»Mann, das waren Aliens. So riesige Viecher, mit Klauen, und die hatten so Rüssel am Maul. Die haben die Menschen zum Ausbluten aufgehängt, damit sie besser die Gedärme fressen konnten. War echt eklig.«
Shakeys Gesicht zeigte, dass er es ernst meinte, trotz
der Zuckungen seines linken Auges, die ihn immer wirken ließen, als zwinkere er permanent jemandem zu.
John seufzte. Er sah die besorgten Blicke seiner Leute. Nur Jamie und Bull sahen aus wie immer. Bei Bull lag es daran, dass seine Beta-Gesichtszüge nicht gut damit umgehen konnten, wenn er Gefühle hatte. Und bei Jamie war John unsicher, ob sie überhaupt je etwas fühlte.
»Halt die Klappe, Shakey«, knurrte er schließlich.
»Aber
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