Missing Link
Namen.
Doch es kam keine Antwort.
Sie wurde erneut von Panik erfasst. Jack war tot. Sie lehnte ihren Kopf gegen die kalte Oberfläche der Schräge. Eine Träne bahnte sich ihren Weg über die schmutzige Wange. Sie hätte in der vergangenen Nacht mit Jack reden und ihm alles sagen sollen. Jetzt würde sie diese Chance nie wieder bekommen. Zum zweiten Mal in ihrem Leben hatte sie ihn verloren - diesmal für immer.
Sie antwortete nicht auf die Frage von oben, ob sie den Boden sehen könne. Stattdessen steckte sie die Taschenlampe in die Tasche und weinte.
Schacht
Die Männer riefen immer noch zu ihr hinab, aber Samantha konnte nicht antworten. Nach ein paar Minuten spannte sich das Seil um ihre Hüfte, um sie zogen sie wieder hoch. Sie wurde von der Leere verschluckt. Die Verzweiflung, die sie ein paar Augenblicke zuvor erfüllt hatte, wurde von einem Gefühl ersetzt, das an Verdrossenheit heranreichte - eine Taubheit ihres ganzen Körpers. Sie ignorierte die Rufe. Das Kinn auf ihre Brust gelegt, war ihr Blick in die Dunkelheit gerichtet. Die besorgten Stimmen kamen immer näher. Etwa nach der halben Seillänge blieb ihr Gürtel in einer Fuge zwischen zwei Steinen hängen. Die Männer zogen vergeblich, und schließlich merkte Samantha, dass sie ihnen helfen musste.
»Samantha!«, schrie Dorn. »Hörst du mich?«
Einige Augenblicke lang rührte sich Samantha nicht. »Ja«, antwortete sie endlich mit schwacher Stimme.
»Gott sei Dank!«, rief er zurück. »Wir dachten, du bist vielleicht tot.«
»Hast du was gesehen?«, fragte Ricardo.
»Nein.« Die Antwort kam nur flüsternd.
»Du scheinst festzuhängen. Kannst du dich bewegen?«, fragte Ricardo sanft. »Wir müssen dich da rausholen. Wir können es noch einmal versuchen, wenn wir mehr Seile haben.«
Sie könnten es noch einmal versuchen. Der Gedanke ermutigte ihre tauben Glieder. »Lasst mich ein paar Zentimeter runter«, brachte sie endlich hervor. »Mein Gürtel klemmt.«
Nachdem das Seil nachgegeben hatte, bewegte sich Samantha zur Seite, um den Gürtel freizubekommen. Als sie sich mit einem Ruck wieder auf den Rücken drehte, kratzte die Taschenlampe an der Wand, rutschte aus ihrer Hosentasche und polterte den Schacht hinunter.
Sie hörte keinen Aufschlag.
Über ihr starrten zwei von hinten beleuchtete Köpfe durch die Schachtöffnung. Sie fragte sich, ob es überhaupt einen Grund gab, zurückzukehren. Das Seil spannte sich wieder um ihre Hüften. Samantha bereitete sich auf das letzte Stück des Aufstiegs vor. Als sie hochgezogen wurde, warf sie einen letzten Blick in die Tiefe. Dann spielte ihr Kopf verrückt. Sie glaubte, dass von unten die Wände des Schachts für einen Moment aufleuchteten.
Sie schüttelte den Kopf.
»Wartet!«, rief sie.
Samantha sah es wieder. Zweimal - ganz schnell hintereinander. Ein Licht ging an und aus, an und aus.
Eine Taschenlampe!
»Es ist Jack!«, schrie sie.
Elohim
Jacks Magen verkrampfte sich und presste schlammiges Wasser aus sich heraus. Schmerz durchbohrte ihn. Bei jedem kurzen Atemzug stach es in seinen Lungen, als würden hundert Dolche um seinen Brustkasten darauf warten, ihn abzustechen, sobald er tiefer einatmete. Jack zwang seine Finger, sich zu bewegen, auf die Taschenlampe zu drücken, die beinahe auf ihn gefallen war. Er hörte Rufe, doch sein Hirn weigerte sich, die Informationen um ihn herum zu verarbeiten, und gab nur Befehle weiter, die seine Hände verstanden. Sein Daumen drückte den Knopf - an und aus, an und aus. Seine Hände müssten aufschreien, weil es sein Mund nicht konnte.
Der Schlamm ...
Die Erinnerung kam zurück - der Wasserberg, der auf ihn zuraste, der Geröllhaufen. Doch wo war er jetzt? Seine verschleierten Augen suchten nach Zeichen des Hindernisses. Vielleicht ist es fortgespült worden. Seine Zunge bemerkte eine Lücke an den unteren Zähnen. Er schmeckte den leicht kupfrigen Geschmack von Blut, vermischt mit sandigem Schlamm.
Seine Energie schwand.
Seine Finger konnten die Taschenlampe nicht mehr halten - sie rutschte ihm aus der Hand. Bald würde ihn die Dunkelheit überkommen, dachte Jack. Durch die mit Schlick verstopften Ohren vernahm er wieder Stimmen. Rufe, die ihm galten, hallten vom Boden zurück - aus welcher Richtung sie stammten, vermochte er nicht zu sagen. Aufs Neue versuchte er zu antworten, doch er konnte nicht. Erschöpfung übermannte ihn. Sein Kopf wollte schlafen. Er musste ausruhen. Einfach noch ein bisschen ausruhen.
Nur eine
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