Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Missing Link

Missing Link

Titel: Missing Link Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walt Becker
Vom Netzwerk:
sich, wo auf dieser pockennarbigen Oberfläche wohl der See der Ruhe lag. Als Mädchen hatte sie oft von diesem besonderen Ort geträumt, an dem die Astronauten landeten. Sie stellte sich vor, es sei der friedlichste Ort im ganzen Universum. Wenn sie doch dort hingehen könnte, an solch einen Ort der Ruhe. Der Mond war ihr zu einem Talisman der Hoffnung geworden, in gewisser Weise ein Trost, auch wenn sie wusste, dass sie niemals von so etwas Friedlichem aus ihrem von Gewalt bestimmten Leben errettet werden konnte. Von nichts und niemandem, außer vielleicht von einem netten Mann wie Jack. Ungewöhnliche vierundzwanzig Stunden lang hatte sie geglaubt, es gebe eine Zukunft für sie - mit ihm; dass er derjenige sei, der ihr zu diesem friedlichen Leben verhelfen würde. Doch der hübsche Fremde bewahrte die spezielle Ehre für eine andere Frau. Wenigstens hatte sie Zeugin einer Beziehung sein dürfen, die weder durch Gewalt noch durch Inzest oder Abneigung beeinträchtigt war. Dies gab ihr - zumindest flüchtige - Hoffnung, eines Tages das Gleiche zu finden. Veronica steckte sich eine Zigarette in den Mund und schützte das Feuerzeug mit ihren Händen vor dem Wind. Ihr Daumen drehte am Zündrad, bis eine Flamme zwischen ihren Handflächen tanzte.
    Dann hörte sie einen Schrei aus dem Wasserlauf rechts von sich.
    Der Bolivianer schrie nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor Pierces festgestellte Klinge seiner Luftröhre einen glatten Schnitt versetzte. Der Körper fiel vor Pierces Füße, immer noch zuckend, doch stumm - abgesehen von der gurgelnden Luft, die dem klaffenden Spalt in der Kehle des Mannes entwich.
    Miller kam wieder auf die Beine. Er presste seine Hand gegen seine Schulter, aus der Blut sickerte. »Hab ihn erst gesehen, als es schon zu spät war«, flüsterte er.
    »Bist du in Ordnung?«
    »Er hat mir mit seinem Messer ordentlich eins versetzt, aber nicht tief.« Miller sah auf die Leiche. »Scheiße. Ich hab unsere Deckung verraten - das ist ein Kartellmitglied.«
    »War nicht zu ändern.«
    »Wir könnten ihn begraben. Damit gewinnen wir vielleicht etwas Zeit.«
    »Lass ihn. Wenn wir Glück haben, denken die Bolivianer, es war ein Kampf zwischen ihren eigenen Leuten«, meinte Pierce.
    »Machen wir, dass wir wegkommen.«
    »Er hat mir das Nachtsichtgerät runtergehauen«, sagte Miller, der den Boden mit seinem Fuß abtastete. »Ich kann nichts sehen.«
    »Rechts von dir«, erwiderte Pierce.
    Er hatte es mit seinem eigenen Gerät gesichtet, dann hörte er Schritte über sich. Pierce hob das Sichtgerät auf, während er zu Miller kroch, und packte seinen Kollegen am Arm. Ohne zurückzublicken rannten die beiden Männer zwischen den Felsen und dem Gestrüpp hindurch und waren genau in dem Moment in der Dunkelheit verschwunden, als die Schritte den Rand des Wasserlaufs erreichten.
    »Das hat garantiert keiner von meinen Männern gemacht«, sagte Dorn mit finsterem Blick. Die Laterne beleuchtete den blutgetränkten Boden um die Leiche des Bolivianers.
    »Wer war es dann? Einer von uns etwa?«, fragte Veronica. Ihre schwarzen Augen blitzten vor Zorn in der künstlich erzeugten Dämmerung.
    »Das würde ich vermuten«, meinte Dorn, während zwei ihrer Männer den erschlafften Körper ihres toten Kameraden aufhoben.
    »Das gehörte nicht zu unserer Abmachung«, sagte sie.
    »Du kannst sicher sein, dass ich für die Schwierigkeiten aufkomme«, beruhigte sie Dorn. »Ich werde Baines heute Nacht noch einen Scheck ausstellen lassen.«
    »Du gibst mir einen Scheck für eine Leiche?« Veronica schien sein Angebot wie einen Schwertstoß aufzufassen. »Wenn ich rauskriege, das ihr das gemacht ...«, fuhr sie fort, brach aber mitten im Satz ab.
    Dorn schwieg.
    Veronica griff nach einer Laterne. Ohne ein weiteres Wort ging sie zu ihren Männern, die die Leiche den Hang hinauftrugen. Beleuchtet von Baines’ schwerer Taschenlampe, wirkte das Blut auf dem Boden wie ein roter Rorschach-Test.
    Dorn wartete, bis die drei Bolivianer über der Kante verschwunden waren, bevor er fragte: »Und was denkst du?«
    »Ich weiß nicht«, murmelte Baines. »Aber mir gefällt die Sache nicht.«
    »Glaubst du, jemand von den Bolivianern hat ihn umgebracht?«
    »Sie scheint die Wahrheit zu sagen, aber von meinen Jungs war das auch keiner.«
    »Wer dann? Ein anderes Kartell? Eine Guerilla-Gruppe?«
    Dorns Fragen blieben unbeantwortet. Baines kniete nieder, den Schein der Taschenlampe vor sich gerichtet. Er hob eine abnehmbare Linse auf und

Weitere Kostenlose Bücher