Missing Link
Minute.
Jacks Gesicht klatschte in den Matsch, doch sein Überlebensinstinkt brachte seinen Körper wieder in Bewegung. Er riss den Kopf hoch. Aus den Nasenlöchern blubberten schlammige Blasen. Denk nach!, befahl er sich. Halb bewusstlos stützte er sich gegen eine Wand. Und wieder wurde sein Oberkörper von einem stechenden Schmerz durchbohrt. Doch der Schmerz hielt seine Gedanken, hielt ihn selbst wach. Er blinzelte mit den Augen, aus denen Schlamm tropfte. Darauf vertrauend, nicht wieder von den Schlammmassen verschluckt zu werden, drohte er erneut vom Nebel umhüllt zu werden.
Er musste bewusstlos gewesen sein. Einen Augenblick lang dachte er, er sei nicht allein.
Von der anderen Seite des Raums aus wurde er von einer großen Gestalt beobachtet.
Jack hatte nicht genug Kraft, sich über die Augen zu wischen. Sein Kopf fiel von einer Schulter auf die andere, während sein Hals versuchte still zu halten. Er träumte.
Oder er starb.
Genau, dachte Jack, ich sterbe. Denn die leuchtende Gestalt vor ihm ging nicht fort. Durch den Wirbelwind in seinem Kopf hindurch erkannte Jack das lange Gesicht, den dichten Bart, das wallende Gewand und die großen Augen.
Große leuchtende Augen.
Sie schienen ihm ein Zeichen zu geben, aber Jack konnte sich nicht bewegen. Ein friedvolles Gefühl überkam ihn. So friedvoll wie nie zuvor in seinem Leben. Obwohl es dunkler wurde, vermochte Jack das wundersame Leuchten der Gestalt noch zu erkennen. Es muss ein Engel sein. Der Engel öffnete seine Arme. Die Erscheinung kam näher. Sie kam zu ihm.
Ich bin tatsächlich gestorben, dachte Jack.
Schlaf
Jack erwachte ganz plötzlich. Sein Hirn flehte nach Reizen - und hatte sie bald gefunden. Licht strömte in seine Augen und verursachte stechenden Schmerz. Er blinzelte. Etwas Warmes, Nasses wurde über seine Stirn gezogen. Er hörte eine sanfte Stimme, wollte sich erheben, spürte jedoch einen scharfen Schmerz seitlich an seinem Oberkörper, der, wie er feststellte, mit einer elastischen Binde fest umwickelt war. Und er spürte die leichte Berührung einer Frau, die seine Schulter unten hielt.
»Bleib ruhig. Alles ist in Ordnung«, sagte die Stimme.
Jack blickte auf eine Decke aus Zeltleinwand und versuchte sich zu orientieren. Schließlich trat die Gestalt neben ihm näher und ins Licht. Jetzt sah er das lange schwarze Haar und das scharfkantige Gesicht von Veronica.
»Was ist passiert?«
»Du bist abgestürzt«, sagte sie. Ihre zarte Hand strich einige Strähne aus seinem Gesicht. Langsam fing sein Geist an, ein paar Dinge zu verarbeiten. Die Schlammwand. Der Schacht.
Seine Augen folgten der Naht der Zeltleinwand. Das Mannschaftszelt an der Oberfläche.
Er hatte überlebt. Aber wer hatte ihn da rausgeholt?
Veronica betupfte seine Stirn mit einem warmen Schwamm. Jack spürte die Wolldecke an seiner Hüfte und zog sie höher.
»Du hast lange geschlafen«, sagte Veronica.
Jack schaffte es, sich aufzurichten. »Wie lange?«
»Seit dem Morgen.«
Jack hörte das Zischen der Laternen. Draußen stöhnte der Nachtwind über den dürren Boden. Er war mindestens zwölf Stunden bewusstlos gewesen. »Wo sind die anderen?«
»Deine Freundin wird bald zurück sein.«
»Samantha?«
»Si.«
Jack atmete tief durch. Samantha ging es gut.
»Sie holt noch heißes Wasser und Medikamente«, erklärte Veronica. Dann murmelte sie etwas auf Spanisch. »Esa mujer te quiere ...«, glaubte Jack zu hören.
Er schloss die Augen. Diese Frau liebt dich ... War es das, was er gehört hatte?
»Jack?«
Die Stimme überraschte ihn; sie hatte keinen Akzent. Er öffnete seine Augen.
Am Zelteingang stand Samantha. »Du warst ganz schön lange weggekippt.« Sie trat ans Feldbett. Veronica erhob sich und verließ schweigend das Zelt. »Wie geht’s dir?«, fragte Samantha, die sich neben ihn setzte.
»Schlimmer als ich aussehe.« Jack mühte sich ab, sich noch mehr aufzurichten.
»Vorsicht. Du hast dir wahrscheinlich zwei Rippen gebrochen. Zumindest sind sie stark geprellt.«
»Hast du nicht zufällig irgendwo zwei Zähne rumliegen sehen?«, fragte Jack, während er seine untere Zahnreihe berührte.
»Es hätte schlimmer kommen können.« »Was ist passiert? Ich erinnere mich an ... Schlamm. An eine unheimliche Menge Schlamm.«
Samantha berührte Jacks Arm. »Ich weiß. Du warst ganz voll damit. Eine Stunde habe ich gebraucht, um dich wieder sauber zu kriegen.«
Ihre Berührung war angenehm. »Danke.«
»Die Sprengung hat eine Schicht des
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