Missing Link
das Wasser zu seinen Füße. Bei dem Gedanken an Wasser war ihm nicht wohl - es war schon über seine Schuhsohlen hinaus gestiegen.
»Was ist das?«, fragte Samantha ängstlich. »Ein Erdbeben?«
Ein Dröhnen drang den dämmrigen Gang herauf. Der Luftzug wurde zum Wind.
Jack blickte Samantha an, deren Augen vor Schreck weit aufgerissen waren. Dann knallte eine massive Wasserwand gegen seinen Rücken. Er wurde zum Steinhaufen geschwemmt, doch die Zeit schien zu einem Punkt zu verschmelzen. Bilder zogen an ihm wie eine Fotoserie vorbei. Schaum. Braun. Felsen.
Jacks Körper musste in einen Schockzustand versetzt worden sein. Sein Gesicht knallte unten gegen den Steinhaufen, doch er spürte keinen Schmerz. Für den Bruchteil einer Sekunde bestand sein Universum nur noch aus seinem Mund. Er merkte, wie zwei Zähne aus seinem Kiefer gerissen wurden. Selbst mitten in diesem Chaos war sich Jack des seltsamen Gefühls beim Verschlucken der Zähne bewusst.
Dann wurde er ohnmächtig.
Schlammflut
Die braune Wasserwand hatte Jack im Nu verschluckt. Voller Schrecken musste Samantha mit ansehen, wie er gegen den Geröllhaufen geschleudert wurde und wieder verschwand. Durch den heftigen Windstoß wurde sie zurückgedrückt und den Hügel hinuntergeworfen. Die rauen Steine schälten ihre Haut ab, als wäre sie eine Kartoffel. Ein reißender Schlammstrom folgte, der sie, Dorn und den Rest der Gruppe zusammen mit dem Geröll aus dem Vorraum spülte. Samantha war in einer mächtigen Welle gefangen. Sie überschlug sich, knallte gegen Felsen und Wände, stieß auf Körper, spürte einen Arm, ein Bein. Dreißig Meter weit wurde sie fortgespült, ehe die Kraft des Wassers nachließ. Fünf schlammbedeckte Körper tauchten aus dem Dreck auf. Husten hallte in den Kammern. Das schmutzige Wasser zog sich zurück. Ein Augenpaar wurde sichtbar, dann ein anderes, als sich Ricardo, Dorn, Baines und Bongane den Schlick aus dem Gesicht wischten.
Samantha versuchte stehen zu bleiben, doch sie taumelte.
Ricardo hielt sie. »Ganz ruhig. Bist du in Ordnung, Samantha?«
Samantha nickte. Mit auf den Boden gerichtetem Blick versuchte sie Halt zu gewinnen.
»Eine Schlammflut«, erklärte Dorn hustend. »Sie muss durch die Sprengung verursacht worden sein.«
Samantha blickte sich um, das Bild der Schlammwand wieder vor Augen. »O mein Gott, Jack!« Sie befreite sich aus Ricardos Griff.
Der Steinhaufen war niedriger geworden. Die Wasserwand hatte es geschafft, das halbe Hindernis fortzuschwemmen. Samantha kletterte hinüber, ohne auf Ricardos warnende Rufe zu hören. Sie erreichte das andere Ende des Hügels und sah mit Schrecken, wie das Wasser gegen die Steine schlug.
Der Wasserspiegel fiel bereits.
Die schaumigen Wassermassen strömten durch das Loch in der Wand - in den Schacht, den Jack sich angesehen hatte. Hinter ihr hallten Dorns und Ricardos Rufe von den Wänden wider, als die beiden Männer den Haufen hinaufkletterten. Die Beule an ihrem Kopf tat weh, aber sie ignorierte den Schmerz, während sie angestrengt den Gang entlangblickte.
»Ich kann ihn nirgends sehen, Ricardo!«
Ricardo rutschte neben sie. »Wo ist er aufgeprallt?«
»Unten am Haufen.« Sie zeigte auf das Wasser, das den Schacht hinunterrann. »Er hat sich die Öffnung angesehen, sagte, sie könnte eine Art Lüftung für eine andere Ebene sein.«
Dorn legte seinen Arm um Samantha. Durch seine Berührung fühlte sie sich noch schlechter. Sie wich zurück.
»Seht ihr ihn irgendwo?«, fragte sie voller Panik.
»Wir werden ihn finden.« Dorn strich ein paar schlammige Strähnen aus ihrem Gesicht. »Wir werden ihn finden.« Samantha beobachtete immer noch das flache Wasser, das bereits am Sinken war.
»Vielleicht hat er überlebt«, murmelte sie. »Er ist ein guter Schwimmer. Er könnte es geschafft haben.«
Der Schaum an der Oberfläche löste sich auf, als das schlammige Wasser neue Wege fand, um dem Gesetz der Schwerkraft Genüge zu tun - doch immer noch kein Zeichen von Jack.
Samantha nahm die Bewegung hinter sich nicht wahr. Dorn drehte sich zu Baines. Er beantwortete die nicht ausgesprochene, nur mit der Spur eines Lächelns gestellte Frage des Mannes, als wäre Jacks Verschwinden ein Segen.
Dorn schüttelte den Kopf: Auf keinen Fall.
Samantha watete durch den hohen Matsch zum Steinhaufen. Sie spürte etwas an ihrem Fuß und zog eine große Baumwurzel aus dem Schlamm. Die Beule an ihrem Haaransatz hämmerte schmerzhaft. Dennoch ging sie weiter durch den
Weitere Kostenlose Bücher