Missing Link
nächsten Morgen übergeben. Die Diskussion darüber dauerte bis spät in die Nacht.
»Nun, dann haben Sie ihn eben angelogen, Jack«, sagte Dorn wütend und wiederholte, dass er das Artefakt niemals rausrücken würde.
Ricardo rang mit sich während der Diskussion, stimmte aber im Großen und Ganzen mit Jack überein. Die Möglichkeiten wurden immer wieder durchgekaut, jeder Weg untersucht.
Dorn dachte daran, dem Stamm Geld anzubieten, aber Jack redete ihm diese Idee schnell aus. Die Dogon waren, gemessen am Weltstandard, arm, doch spirituell reich - sie hatten ihre Spiritualität, die mit Geld nicht aufzuwiegen war, fest in ihre Kultur eingebunden.
»Abgesehen davon, nimmt das Artefakt einen ehrfürchtigen Platz in ihrem Glaubenssystem ein«, führte Jack aus. »Dies ist keines der weniger wertvollen Objekte. Es gehört ihrer inneren Welt. Es ist heilig.«
»Es stammt aus dem Weltraum«, erwiderte Dorn. »Ist Ihnen schon mal in den Sinn gekommen, dass ein außerirdisches Artefakt für die ganze Welt heilig ist?«
»Das ist nicht der Punkt.«
»Was ist es dann?«, fragte Dorn.
»Der Punkt ist, dass die Dogon eisern dabei bleiben, uns nicht mit dem Stück gehen zu lassen, ganz gleich, wem oder wozu das Artefakt nützen könnte, egal, woher es stammt.«
Dorn stand auf. »Dann sollen sie doch versuchen uns aufzuhalten. Ich bin sicher, wir könnten auch später eine Lösung dafür finden.«
Jack atmete tief durch. »Verstehen Sie denn nicht? Diese Menschen sind bereit, dafür zu sterben. Und wenn sie bereit sind, dafür zu sterben, sind sie sicher auch bereit, dafür zu töten.«
Dorn lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schaukelte beim Nachdenken leicht.
»Was ist mit der Regierung von Mali?«, schlug Ricardo vor. »Sie könnte vielleicht bei dem Streit schlichten. Wir haben für alles offizielle Papiere.«
»Sie könnten bis zum späten Vormittag hier sein«, fügte Dorn hinzu.
»Das ist nicht gut«, widersprach Samantha.
»Warum nicht? Diese Genehmigungen haben mich ein Vermögen gekostet. Dadurch haben wir das Eigentumsrecht. Dafür habe ich gesorgt.«
»Und wen haben Sie bestochen, um das Eigentumsrecht zu bekommen?«, fragte Jack.
Dorn zögerte. »Vielleicht hat mein Anwalt ein paar Leute im Ministerium für staatseigene Ländereien einen Gefallen getan.«
»Der Regierung von Mali kann es scheißegal sein, wenn wir alte Kochen ausgraben«, sagte Jack. »Aber wenn sie Wind davon kriegen, dass wir das Artefakt gefunden haben, werden sie den Streit sofort beilegen.« Jack steckte sich die nächste Zigarette an. »Und das Artefakt selbst behalten.«
»Daran besteht kein Zweifel. Ich habe mit diesen Typen jahrelang zu tun gehabt. Wenn sie Geld riechen, werden sie richtig hysterisch«, erklärte Samantha.
»Dann gibt’s nur noch eine Möglichkeit.« Dorn kaute auf seiner Pfeife, die er aber nicht angezündet hatte. »Wir müssen vor morgen früh hier weg sein.«
»Freunde, das ist die beste Idee, die ich bis jetzt gehört habe«, sagte Ricardo mit einem Seufzer. Er stand auf und ging in Richtung des grünen Klohäuschens vor dem Zelt. Schon wieder.
»Wir schnappen uns Skelett und Artefakt und machen uns auf zum Landestreifen«, fuhr Dorn fort. »Gleich ganz früh, noch vor Morgengrauen. Mit der Regierung von Mali und den Dogon können wir über internationale Kanäle verhandeln. Wenn wir in einem neutralen Land sind, können wir reden. Auf diese Weise lässt sich das Ganze friedlich regeln, und wir sind sicher, dass alle Meinungen berücksichtigt werden.« Dorn schwieg und ließ jedem eine Bedenkpause, bevor er hinzufüg- te: »Natürlich habe ich keine Zweifel, dass wir vor Gericht gewinnen werden.«
Samantha warf einen Blick zu Jack hinüber. Ihre hochgezogenen Augenbrauen signalisierten Zustimmung.
Jack wusste, dass sich Dorn einen Dreck um die Regierung von Mali oder um die Dogon scherte. Er wollte einfach nur das Artefakt. Doch in diesem einen Punkt konnte Jack nicht gänzlich widersprechen. Er hatte aus den Stimmen der Stammesältesten herausgehört, dass es für die Expeditionsgruppe keine Chance gab, offen mit dem Artefakt abzuziehen. Einige der cholerischen Krieger hatten sogar gerufen, sie wollten Blut sehen. Die Dogon würden nicht verhandeln. Und wenn es eine Sache gab, die Jack mehr als die Dogon in ihrem jetzigen Zustand fürchtete, dann war es die Möglichkeit, den Fund des Jahrtausends zu verlieren. Obwohl es ihn ärgerte, dass er und Dorn einen Teil der selbstsüchtigen
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