Missing Link
wen?« »Oder für was?«, ergänzte Dorn.
Jack schüttelte sich. »Und sollte es irgendwelche Erreger draußen . oder drin lassen?«
Die Frage hing in der Luft wie die Schlinge des Henkers.
Samantha spähte den Gang hinunter und wurde nervös. Offensichtlich teilte er sich vor ihnen, aber Jack konnte nicht an ihr vorbeisehen.
»Also?«, fragte er und drängte sie vorwärts.
»Warum gehst du nicht zuerst?«, fragte sie zurück.
Die Wände leuchteten so hell, als würden in dem Gang tausende unsichtbarer Kerzen brennen. Vorsichtig und langsam schritt Jack voraus. Während er seine Spucke hinunterschluckte - sein Hals war trocken wie Kalk -, fühlte er sich wie ein Kind in einem Gespensterhaus, das nicht sehen wollte, was sich um die nächste Ecke herum befand, doch wie unter Zwang weitergezogen wurde.
Der Gang teilte sich in zwei kleinere. »Mist«, sagte Jack.
Zwei riesige Granitbrocken waren aus der Mauer in den engen Tunnel gestürzt. Einer war auseinander gebrochen und versperrte die rechte Seite des Gangs. Der andere lag in der Mitte, war aber noch ganz und lehnte an der Mauer. Kopfgroße Felsbrocken füllten die Lücken, zusammengehalten durch ein Knäuel aus alten Wurzeln und Erde.
»Wurzeln?« Ricardo zog, bis das spröde Holz in seiner Hand zerbrach.
Samantha fing an den Schutt beiseite zu räumen. »Eigentlich müssten wir da durchkommen«, meinte sie. Die anderen halfen ihr.
»Ich habe auf dem ganzen Altiplano nur ein paar Bäume gesehen«, sagte Dorn.
»Ein weiterer Hinweis auf das Alter dieser Stätte«, erklärte Jack. »Heute gibt es nur noch wenige Bäume, aber in Anbetracht der Dicke dieser Wurzeln und der Feuchtigkeit, die wir beim Eintreten spürten, war hier das Klima vor fünfzehntausend Jahren vollkommen anders.«
»Könnte das auf die nachfolgende Eiszeit zurückzuführen sein?«, fragte Samantha.
»Nein. Ich glaube, der Klimawechsel fand plötzlich statt. Aus dem gleichen Anlass wie die in so vielen Überschwemmungsmythen erwähnten globalen Katastrophen.«
»Das Klima hat sich auf Grund der Überschwemmungen verändert?«, fragte Dorn.
»Eine Flut war daran beteiligt. Aber der zu Grunde liegende Mechanismus ist als Erdkrustenverschiebung bekannt. Sie hat möglicherweise den ganzen Schaden hier angerichtet.«
»Erdkrustenverschiebung?«
Jack zog noch mehr Geröll aus dem Haufen. »Charles Hapgood hat diese Theorie, der sich später Einstein angeschlossen hat, zuerst formuliert. Er glaubte, dass etwa alle vierzigtausend Jahre eine massive Verschiebung der äußeren Erdkruste erfolgt, die sich von dem langsamen Vorgang der Plattentektonik unterscheidet, bei der sich Teile der Erdkruste eher unabhängig voneinander als gemeinsam bewegen. Hapgood sagte, die gesamte äußere Kruste, die wie eine dünne Orangenschale über einem geschmolzenen Kern sitzt, könne sich schnell und als Ganzes bewegen«, erklärte Jack.
»Das war aber ein schönes Chaos«, murmelte Dorn.
»Durch die Verschiebung könnte die Antarktis am Äquator und die USA in der Nähe des Pols landen. Einstein und Hapgood waren sich nicht einig, was die Sache auslösen könnte - vielleicht die allmähliche Zunahme von Milliarden Tonnen von Eis an den Polen. Aber die Theorie erklärt die historischen Erzählungen für die umfassende Vernichtung von Menschen und die seltsamen Fossilfunde des letzten Jahrhunderts.«
»Welche Funde?«, fragte Dorn.
»Paläontologen fanden an der Nordspitze von Vancouver Island Fossilien von dreißig Meter hohen Palmen, die eigentlich in diesem Klima nicht wachsen. Am nördlichen Polarkreis, nur ein paar hundert Meilen vom Nordpol entfernt, entdeckten Forscher riesige eingefrorene Obstbäume, an deren Zweigen immer noch Früchte und grüne Blätter hingen. Die einzige Möglichkeit, einen Baum aus einer warmen Klimazone mitsamt Früchten einzufrieren, besteht darin, es plötzlich zu tun. Diese Bäume wurden über Nacht aus einem warmen in ein arktisches Klima verfrachtet. Wir haben in Sibirien auch die konservierten Überreste von Mammuts gefunden, eingefroren mit noch unverdauten Pflanzen aus einer warmen Klimazone im Magen.«
»Gütiger Gott!«, stieß Dorn hervor.
»Jedes Jahr wird diese Theorie durch neue Funde bestätigt«, fuhr Jack fort. »Erst kürzlich habe ich gehört, dass bei Ölbohrungen in der Polarregion gefrorene Korallen gefunden wurden.«
Samantha hörte auf, Schutt beiseite zu räumen. »Korallen gibt es doch nur in extrem warmem Wasser.«
»Genau.«
Schweigend
Weitere Kostenlose Bücher