Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Missing Link

Missing Link

Titel: Missing Link Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walt Becker
Vom Netzwerk:
Riesen, die friedlich in ihren Steinsärgen ruhten. Die Skeptiker - Samantha eingeschlossen - würden den natürlichen Beweis, den die Expedition geliefert hatte, nicht leugnen können. Was würde dies für die Welt bedeuten? Und was für Samantha Colby? Sie fragte sich - und sie hoffte: Würde dies etwas für ihren Vater bedeuten?
    Samantha amtete tief und gleichmäßig ein; sie wollte sich beruhigen. Eine Wissenschaftlerin handelt nicht wie eine unbesonnene Schülerin. Sie würde damit umgehen können. Aber wie geht man mit der Tatsache um, dass die Erde mit Besuchern aus einer anderen Welt gesegnet worden war, Besuchern, die der Menschheit die Zivilisation beigebracht, große Macht besessen, sich aber freundlich verhalten hatten? Besucher, die nicht kamen, um zu erobern, sondern um Krankheiten zu heilen und Medizin und Mathematik zu lehren.
    Samantha las ein Zitat, das Jack von einem spanischen Chronisten abgeschrieben hatte und das davon erzählte, wie der große Viracocha den Menschen gezeigt hatte, was Frieden ist: »An vielen Orten sagt man, er gab den Menschen Anweisungen, wie sie leben sollten, wobei er mit großer Liebe und Freundlichkeit zu ihnen sprach und sie ermahnte, gut zu sein und einander nicht zu schaden oder zu verletzen, sondern einander zu lieben und allen gegenüber nachsichtig zu sein.«
    Samantha setzte ihren Becher ab. Diese Außerirdischen waren keine bösen Weltraumreisenden, die auf Teufel komm raus die Welt zerstören wollten. Sie waren Schutzengel.
    Ganz gleich, aus welcher Quelle oder von welchen Menschen die Legende stammte, an die Viracochas, die Leuchtenden, erinnerte man sich als diejenigen, die Ordnung gebracht und den Menschen die Eckpfeiler der Zivilisation gelehrt hatten. In Peru sagte man, sie hätten Medizin, Hüttenwesen, Schreiben und Landwirtschaft gelehrt. In Bolivien sagte man, sie hätten große Tempel mit riesigen Steinen gebaut und den Bewohnern Technik, Architektur und Astronomie beigebracht.
    Kein Wunder, dass Jack so unnachgiebig war. Einen Moment lang war Samantha in Gedanken wieder in Princeton. Sie war sich so sicher gewesen, dass er nur eine Idee durchgespielt hatte. Außerirdische auf der Erde? So etwas gab es bloß im Fernsehen, nicht in der Wissenschaft. Ihr Blick richtete sich auf Jack, der auf seinem Feldbett schlief. Wenn sie auch damals nicht all ihre Probleme auf eine einfache theoretische Meinungsverschiedenheit schieben konnte, so hatte sie doch Jacks Beharrlichkeit bei der Bekämpfung der tonangebenden Kreise persönlich genommen. Aber er hatte Recht gehabt.
    Seine ganze Halsstarrigkeit - die Jahre der Rebellion - sah sie nun in einem anderen Licht.
    Sie hatte zu viel Angst gehabt, Wirbel zu machen, Themen aufzuwerfen, die ihre Karriere hätten aufhalten oder gar zerstören können. Ein Gedanke drängte sich ihr auf: Vielleicht hatte sie genau deswegen angefangen Jack zu hassen. Sie hatte in ihm den Mut gesehen, den sie nicht aufbringen konnte. Vielleicht hatte sie ja gar nicht seine Sturheit, sondern seinen Mut gehasst. Wenn sie jetzt tief genug in ihre Seele blicken würde, könnte sich die Wahrheit finden lassen. Ihre eigene Unsicherheit könnte die Beziehung zerstört haben. Gewiss, auch Jacks Stolz hatte eine Rolle dabei gespielt, aber sie hatte einen Menschen verlassen, den sie geliebt hatte. Alles nur aus Angst. Jack hatte sich gegen ein Wissenschaftssystem gestellt, das auf Teufel komm raus den Status quo erhalten wollte, gegen die Etablierten, die für alles eine Lösung parat hatten und nicht zuließen, dass sie von irgendjemandem oder irgendetwas besudelt wurde. Jack hatte dafür bezahlen müssen - vertrieben von seinen Kollegen und verlassen von jemandem, der in jeder
    Hinsicht für ihn hätte da sein sollen.
    Samantha wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ihres Parkas ab. Sie war an eine lang vergessene Bibelgeschichte erinnert worden, die in der Episkopalgrundschule behandelt worden war, die Geschichte von der Verleugnung durch Petrus angesichts der Not. Als Kind hatte sie sich immer gesagt, dass sie dies einem Menschen, den sie liebte, nie antun werde.
    Sie schaltete den Laptop aus und drehte die Laterne herunter. Im Dunkeln suchte sie ihr Feldbett. Sie musste mit Jack reden. Nein, mehr als reden. Sie musste sich zusammenreißen und sich entschuldigen, nicht weil sie mit dem Zweifel an Jacks Theorien Unrecht gehabt, sondern, weil sie an dem Menschen hinter diesen Theorien gezweifelt hatte. An einem Menschen, den sie, wie sie merkte,

Weitere Kostenlose Bücher