Mission Ares
Rüstungsausgaben massiv erhöhte. Und dazu
gehörten auch Mittel für Atomwaffen. Im nächsten Jahr sollten Marschflugkörper in Mitteleuropa stationiert werden, obwohl sich in diesen Ländern starker Protest regte. Und hier hatte es noch stärkeren Protest gegeben, las er.
Die Menschen hatten wieder Angst. Ein Vertreter des
Verteidigungsministeriums hatte die Bevölkerung auf die
Schutzfunktion eines Bunkers im Garten hingewiesen, wenn die Bombe platzte. Man muß nur Klappspaten an die Leute ausgeben, und dann werden sie das schon schaffen.
Seger ging bis zum Störfall im Atomkraftwerk von Three
Mile Island zurück. Angesichts der – administrativen und technischen – Parallelen zwischen diesem Desaster und dem Zwischenfall mit Apollo-N lief es ihm kalt den Rücken hinunter.
Nachdem er solcherart seinen geistigen Horizont erweitert hatte, empfand er die Berichterstattung über die NASA auch als besorgniserregend. Die Äußerungen der Journalisten zeugten von Skepsis, Zorn, Verachtung und Ressentiments. Er erinnerte sich, daß Eisenhower vor einer weiteren Zunahme der militärischen und wirtschaftlichen Macht gewarnt – und sich damit gegen die Fortsetzung des Raumfahrtprogramms ausgesprochen – hatte, weil eine Technokrate dem Geist des individualistischen Amerika zuwiderlief. Wollte man der Nation diese Entwicklung aufzwingen, wäre das Scheitern
schon vorprogrammiert. Dennoch war Kennedy dieses Risiko eingegangen. Und Seger hatte den Eindruck, daß das Land nun den Preis dafür zahlte.
Das Weltraumprogramm war, wie ihm nun bewußt wurde,
die Wurzel allen Übels. Welchen Sinn hatte es überhaupt? Die viel beschworene Übertragung von Innovationen auf andere Bereiche war Makulatur, weil besagte Innovationen früher oder später sowieso erfolgt wären. Allmählich begriff er, daß die NASA nur aus dem Grund zum Mars fliegen wollte, um ihre Existenz zu rechtfertigen und die Personalstärke beizubehalten, die nach der Einstellung der Mondflüge nämlich viel zu hoch war.
Allerdings wäre die Verwendung des NASA-Etats für
›irdische‹ Projekte auch sinnlos gewesen. Seger war sicher, daß das Geld irgendwo versickert wäre, ohne daß es einen konkreten Nutzen gestiftet hätte. Doch darum ging es auch gar nicht. Das Raumfahrtprogramm glich einer wuchernden Pflanze, die ihre gesamte Energie in eine marsrote Blüte steckte, während die Gesellschaft, in der sie verwurzelt war, vermoderte.
Das war einfach unanständig. Genauso wie das ehrgeizige
zivile Nuklearprogramm und die Aufrüstung…
Nun war die Mars-Mission in Segers Augen fast schon
Blasphemie.
Er spürte eine neue Klarheit der Gedanken, während er sich mit diesen Ideen befaßte. Eine neue Entschlossenheit.
Er wußte natürlich, daß das eine Auswirkung des Apollo-N-Traumas war. Dieses einschneidende Erlebnis würde ihn wohl für den Rest seines Lebens prägen. Vielleicht befand er sich sogar in einem leichten Schockzustand. Doch das war egal. An der Wahrheit gab es nichts zu deuteln, wie auch immer sie sich manifestierte, und er hatte nun das Gefühl, die Dinge von einer höheren Warte aus zu betrachten. Zum erstenmal in seinem Berufsleben sah er das Weltraumprogramm aus der ungetrübten Perspektive eines Außenstehenden.
Diese neue Wahrnehmung empfand er als großen Trost.
Als er das nächstemal die Messe besuchte, fragte er den
Priester, ob er die Predigt halten dürfe.
Zeitdauer der Mission [Tag/Std:Min:Sek]
Plus 313/11:33:22
313/11:33:22CDR … Ich für mein Teil möchte diese
Fernsehübertragung nutzen, um unsere
Dankbarkeit gegenüber all jenen zum
Ausdruck zu bringen, die uns den Weg
bereitet haben. Zunächst einmal waren es
die Anstrengungen von geschichtlichen
Persönlichkeiten, von Wissenschaftlern
aus der ganzen Welt, deren Leistungen es
uns nun ermöglichen, einen Vorstoß in die
Tiefen des Sonnensystems zu wagen.
Dann danken wir dem amerikanischen
Volk, das den Willen bekundet hat, dieses
große Forschungsabenteuer fortzusetzen.
Weiterhin danken wir vier Regierungen
und Kongressen für den Mut, den Willen
des Volkes in die Praxis umzusetzen. Es
entspricht sicher der Wahrheit, wenn ich
sage, daß Amerika nach den
Mondlandungen fast eine Abkehr von der
Raumfahrt vollzogen hätte. Politischer
Mut und Weitsicht waren erforderlich, um
uns dorthin zu bringen, wo wir heute
stehen. Und wir danken der NASA und
den Firmen, die das Raumschiff gebaut
haben: die Saturn-Raketen, das
Missionsmodul,
Weitere Kostenlose Bücher