Mission Ares
dumpfe, öde Routine des Langstrecken-Flugs hatte ein übriges bewirkt. Sie hatte sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen, bei der Erledigung ihrer Aufgaben ›auf Autopilot geschalten‹ und die Gesellschaft der Kameraden gemieden. Sie vermutete, daß die anderen ähnlich litten, doch schienen sie Mittel und Wege gefunden haben, damit klarzukommen: Gershon vertiefte sich in die Technik des Schiffs, und Stone widmete sich den ›Bonsai‹-Erbsen.
Sie hatte jetzt schon Angst vor dem Rückflug; vor dem
geistigen Auge erschien er wie eine hohe schwarze Barriere.
Doch das lag noch in weiter Ferne. Nun kletterte sie erst einmal aus der Grube hinaus und näherte sich dem warmen, ockerfarbenen Licht des Mars.
In der Freizeit betrachtete sie fast nur noch die immer größer werdende Kugel und identifizierte immer mehr Landmarken, die noch kein Mensch mit bloßem Auge gesehen hatte – als ob sie immer größere Teile des Mars für sich beanspruchte.
Montag, 6. August 1984
MEM-Raumschiff 009, Niedriger Erdorbit
Während sie sich auf die Zündung vorbereiteten, spielte
Bleeker Born in the USA auf dem Bord-Kassettenrecorder ab.
Bruce Springsteens Stimme übertönte das Klicken und Surren der MEM-Ausrüstung.
»Treibstofftanks für das Aufstiegs-Antriebssystem unter
Druck«, sagte Bleeker.
»Rager«, erwiderte Gershon.
»Aufstiegszuleitungen sind geöffnet, Absperrventile sind geschlossen.«
Ted Curval mimte heute den Capcom. »Iowa, hier spricht Houston. Weniger als zehn Minuten. Alles sieht gut aus. Nur noch ein Hinweis. Wir wollen Rendezvousradar-Umschaltung in den LGC-Modus auf der Oberfläche bei neunundfünfzig…
Wir nehmen an, die Steuerung ist im Modus Autopilot.«
»Stop«, sagte Gershon, »Tasten-Rückstellung, Abbruch bei Abbruch StufenRückstellung.«
Bleeker drückte auf die Knöpfe. »Rückstellung.«
»Unsere Empfehlung für die Flugführung ist PGNS«, sagte
Curval. »Ihr habt Freigabe für Zündung.«
»Rog. Wir sind Nummer Eins auf der Startbahn…«
Während hundertsechzig Kilometer über der Erde Gershon
und Bleeker die Checkliste für die Zündung abarbeiteten, befanden MEM und Apollo sich im Formationsflug. Die vom Kommandokapsel Bob Crippen gesteuerte Apollo glich einem mit Juwelen besetzten silbernen Spielzeug, das sich gegen den leuchtenden Teppich der Erde abhob. Und das MEM war ein großer glänzender Kegel, der mit einer Höhe von neun Metern Apollo zum Zwerg degradierte, welche von abgestoßenen Mars-Hitzeschilden und gewellter Folie umgeben war.
Die sechs Landebeine waren ausgefahren. Doch MEM 009
würde nirgendwo landen.
Gershon stand neben Bleeker in der engen Kabine der MEM-Aufstiegsstufe. Er vermochte sich kaum zu rühren in dem orangefarbenen Druckanzug. Vor Gershon befand sich eine
Konsole mit Skalen, Schaltern und Instrumenten. Außerdem gab es zwei manuelle Regler; einen pro Person. Die Wände waren mit Unterbrechern bestückt, und auf dem Boden verliefen un-verkleidete Kabelstränge und Rohrleitungen. Die Kabine hatte je ein Dreiecksfenster zu beiden Seiten der Hauptkonsole. Sie waren mit spinnenförmigen Markierungen versehen, die bei der Landung auf dem Mars als Leitsystem dienen sollten. Blaues Erdlicht schien durch die Fenster und zauberte Farbtupfer auf die Konsolen.
Hinter Gershon befanden sich drei Beschleunigungsliegen, von denen zwei hochgeklappt waren. Bei einem Landungs-Flug wäre noch ein drittes Besatzungsmitglied an Bord: der Missions-Spezialist, der während des einmaligen Flugs des MEM den Status eines Passagiers hatte.
Die Einrichtung der Kabine war funktionell und folgte reinen Nützlichkeitskriterien; die Wände waren überwiegend unlackiert, so daß die blanken Nieten zu sehen waren, und die Kabelbäume waren von Hand verdrillt worden, als ob ein Heimwerker sich daran versucht hätte.
Das MEM war ein Experimental-Raumschiff: in Tausenden
von Mannstunden in mühseliger Handarbeit hergestellt,
basierte es auf konservativen Entwürfen, die sich schon im Einsatz bewährt hatten. Die scheinbar primitive Konstruktion war das Merkmal der Raumfahrt-Technik, über das die Leute sich am meisten wunderten, weil sie optisch ansprechende Massenware gewöhnt waren. Mit Star Trek hatte dieses Gerät nicht die geringste Ähnlichkeit.
Doch für Gershon war das MEM real, beinahe irdisch.
In einem von Menschenhand geschaffenen Schiff auf dem
Mars zu landen: für Gershon, den begeisterten Raumfahrer, war das eine wundervolle
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