Mission Ares
denen die NASA die Öffentlichkeit seit den Tagen von Mercury abgespeist hatte.
Und ich bin nun ein Rädchen im Getriebe, sagte sie sich. Eine Komplizin bei der traditionellen Lüge. Ich bin nun eine Astronautin, und meine menschlichen Bedürfnisse existieren offiziell nicht mehr.
Die Frage des Reporters war zwar frech, aber sie traf den Kern. Die NASA war in technischer Hinsicht Spitze, sagte sie sich, doch verstand sie es überhaupt nicht, den Bedürfnissen der weichen rosigen Körper gerecht zu werden, die sie in die glänzenden von Braun-Traummaschinen steckte – sie wußten nicht einmal, daß diese Bedürfnisse überhaupt existierten.
Oder taten so, als wüßten sie es nicht, weil sie es nicht wissen wollten.
Wie fühlt man sich im Weltraum? Auf dem Mond? Auf dem Mars?
Zunächst kam diese Frage ihr blöd vor: naiv, zu offen – es gab darauf keine Antwort. Und es nervte sie, daß diese Frage, wenn auch mit Variationen, auf jeder Pressekonferenz gestellt wurde.
Heute versuchte Joe Muldoon, sie zu beantworten.
»Ich bin ein ganz normaler Mensch. Aber man könnte
dennoch sagen, daß ich etwas Außergewöhnliches getan habe.
Ich möchte Ihnen erzählen, wie es war. Wenn man aus dem
Orbit auf die Erde herabschaut, vergißt man alle Probleme: die Rechnungen, die bezahlt werden müssen, den Ärger, den man mit dem Auto hat. Statt dessen denkt man über die Menschen in dieser blauen Schüssel aus Luft nach: die Menschen, die man kennt und die einem etwas bedeuten. Und dann erkennt man, wieviel sie einem wirklich bedeuten…«
Außer Muldoon sprach niemand im Raum.
Sie beobachtete die Fragesteller; die harten, zynischen
Presseleute hingen nun an den Lippen des Astronauten. Sogar die Frau, die unterstellt hatte, die Mars-Mission sei eine Verlade, hörte gebannt zu.
»Wenn man sieht, wie die Erde hinter dem Raumschiff
zurückfällt…«, sagte Muldoon. »…Wenn man auf dem Mond
steht und diese kleine Welt einem zu Füßen liegt: dann wird einem bewußt, daß man einer von zwei Menschen auf dem Mond ist und daß man in der Lage ist, die Hand auf die Erde zu legen…«
Es gab eine Handvoll Männer, die Außergewöhnliches
geleistet hatten: sie waren durchs Weltall geflogen und sogar auf dem Mond spazierengegangen – eine unvorstellbare Leistung, eine Leistung, auf die das evolutionäre Erbe der Menschheit sie nicht vorbereitet hatte. Und nun erkannte York, daß die Presseleute – hinter der bräsigen Fassade – darauf reagierten. Es war eine archaische Reaktion.
Du bist dort oben gewesen. Mir war das nie vergönnt. Erzähl mir nur nicht, du wärst ein normaler Mensch. Was ist das für ein Gefühl? Sag’s mir.
Wenn die Astronauten zur Öffentlichkeit sprachen – wobei sogar ein Routinier wie Muldoon immer in einen gestelzten Jargon zu verfallen schien –, lief unter dem gesprochenen Wort eine Kommunikation ab, die an archaische Instinkte rührte. Die Worte von Muldoon und den anderen genügten nicht – würden nie genügen. York hatte oft den Eindruck, daß die Leute die Astronauten am liebsten berühren würden. Als ob sie Götter wären. Oder als ob Informationen, Wahrnehmungen und Erinnerungen durch die Haut übertragen würden.
Doch sie vermochte dazu nichts beizutragen. Wie auch? Sie war bisher nur in einem Schulflugzeug mitgeflogen.
Im Licht der Fernsehkameras fühlte sie sich deplaziert neben einem Mann, der mit den Fingern durch den Mondstaub gefahren war.
Oktober 1984
… Wie oft müssen wir erleben, daß die Diskussion über die Zukunft der RAUMFAHRT zwischen hysterischen Extremen schwankt! Und all das findet vor dem Hintergrund einer Zeit statt, wo Zynismus und AMORALITÄT ins Kraut schießen.
Während die ›Yuppies‹ mit Rolex-Uhren und sportlichen
BMWs protzen und während der illusorische wirtschaftliche
›Aufschwung‹ allein durch die vom Präsidenten verordnete massive Erhöhung der RÜSTUNGSAUSGABEN stattfindet, ist die Kluft zwischen den niedrigsten und höchsten
Einkommen so breit wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.
Diese Erhöhung der Rüstungsausgaben, die wegen der
politischen Unterstützung der NASA auch zur Finanzierung der Mars-Mission dient, schürt die Inflationsgefahr und führt zu einem riesigen DEFIZIT, das eine Hypothek für die nachfolgende Generation darstellt.
Und dieses DEFIZIT ist wiederum eine zynische
Manipulation der Wirtschaft durch die Regierung, die nun behauptet, wegen der Belastung durch das DEFIZIT bestünde kein Spielraum für eine
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