Mission Ares
ganze Ärger mit dem Astronauten-Büro, der Karriereknick, die Kompromisse bei der Wissenschaft, das nicht vorhandene Privatleben – gerechtfertigt war.
… Wir sind uns bewußt, daß ein bemannter Raumflug auch als komplexes biotechnisches und soziotechnisches System mit mechanischen und menschlichen Teilen betrachtet werden kann. Ein grundlegendes Verständnis der psychologischen und interpersonalen Dimensionen der Mars-Mission ist notwendig, um unabhängig von den strukturellen, mechanischen und elektronischen Elementen die Wahrscheinlichkeit eines Versagens des menschlichen Teils zu verringern, was die Umstellung des Systems als Ganzes erfordern würde.
Psychologische und interpersonale Belastungen können durch die Einrichtung des Raumschiffs, eine optimale Auswahl der Besatzung und die Strukturierung von Situationen und Aufgaben verringert werden…
Für York waren die pseudowissenschaftlichen Vorträge der Psychologen, die Rollenspiele sowie die psychologischen Gruppen-und Einzelauswertungen, welche die Besatzung über sich ergehen lassen mußte, der schlimmste Teil des Trainings.
Sie waren entweder todlangweilig oder höchst peinlich oder beides.
York war in den ›weichen‹ Wissenschaften nicht sehr
bewandert, und sie wunderte sich darüber, wie beschränkt der Horizont dieser Disziplinen war – selbst in diesem Raumfahrtprogramm, wo Geld keine Rolle spielte. Manche
Theorien, die auf sie und ihre Kameraden angewandt wurden, hielt sie im besten Fall für spekulativ. Sie erkannte, daß das Studium der Gruppenpsychologie im Gegensatz zur Individualpsychologie noch in den Kinderschuhen steckte.
Das eigentliche Problem war jedoch, daß bisher kaum
Erfahrungen mit Langzeit-Raumflügen vorlagen, so daß die Leitlinien und Techniken, die man ihnen beibrachte, nicht durch die Praxis untermauert wurden.
Bei der Ares-Mission würden Menschen tiefer ins Weltall
vorstoßen, als je eine Besatzung zuvor. Um die mentale
Befindlichkeit einer Mars-Besatzung zu prognostizieren,
mußten die Psychologen sich deshalb auf Fallstudien von
analogen Situationen stützen: unterseeische Habitate, Atom-U-Boote, Polarstationen und isolierte Ansiedlungen. Dazu bedienten sie sich sensorischer Deprivationsexperimente, Schlaflosigkeits-Untersuchungen und Studien über soziale Isolation. Wobei sie, wie York sich sagte, diese Analogien manchmal etwas überdehnten.
Sie machte sich mit dem Gedanken vertraut, daß die Luft—
und Raumfahrttechnik beim Ares-Flug an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stieß. Da war es um so bedenklicher, daß auch die weichen Disziplinen wie Psychologie bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten strapaziert wurden.
Es war beunruhigend, daß in diesem fundamentalen Aspekt
der Mission niemand wußte, ob die Besatzung den Flug auch überleben würde.
Später erfuhr York von Wladimir Wiktorenko, wie die
Sowjets solche Dinge handhabten.
Es fing schon bei Kleinigkeiten an: die sowjetischen
Missions-Planer berücksichtigten bei der Zusammenstellung der Verpflegung den Geschmack der Besatzung. Mit der gleichen Sorgfalt wurden die Farben für die Wände und die Ausrüstung des Raumschiffs ausgewählt. Jedes Mitglied der Besatzung erhielt einen Kassettenrecorder mit seiner Lieblingsmusik, dazu Aufnahmen von Klängen aus der Natur: Vogelstimmen, Meeresrauschen, Regen. Die Kosmonauten wurden sogar aufgefordert, Lebewesen mitzunehmen, zum
Beispiel für biologische Experimente: Pflanzen, Gräser und Kaulquappen – Tropfen des Lebens, sagte Wiktorenko, Tropfen aus dem Ozean des irdischen Lebens.
Die amerikanischen Astronauten neigten dazu, die Sowjets in technischer Hinsicht als rückständig zu betrachten. Doch York gefielen manche der sowjetischen Lösungen. Sie verstanden es, den menschlichen Wesen in den Raketen mit ebenso einfachen wie praktischen Maßnahmen ein behagliches Ambiente zu schaffen.
Sie brachte Wiktorenkos Ideen in die Psycho-Sitzungen mit Stone und Gershon ein.
»…Ich übertreibe gewiß nicht, wenn ich sage, daß die schiere Größe des Öffentlichkeitsarbeits-Programms alles übertrifft, was wir seit Apollo 11 gesehen haben. Natürlich ist auch die ›Stimme Amerikas‹ daran beteiligt. Unseren Schätzungen zufolge erreicht dieser Sender siebenundsiebzig Prozent der Weltbevölkerung außerhalb der USA. Dies ist die größte Operation in der Geschichte des Senders. Noch vor dem Start werden wir zehntausend Tonbänder mit einer Spieldauer von fünfundvierzig Minuten und
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