Mission Ares
Manuskripte an amerikanische Informationsdienste in aller Welt schicken. Während der
Schlüsselphasen der Mission wird die Stimme Amerikas Live-
Übertragungen in sieben Sprachen bringen und
Zusammenfassungen in weiteren sechsunddreißig Sprachen.
Außerdem werden wir die bei einer bemannten NASA-Mission üblichen Sendungen durch Sondersendungen
ergänzen, und zwar mit neunzig Direktübertragungen. Hinzu kommen Werbemittel, die in den letzten Wochen vor dem Start erscheinen: ein achtundvierzigseitiges Heft mit dem Titel ›Menschen auf dem Mars‹ in einer Auflage von
vierhundertzweiundzwanzigtausend Exemplaren sowie
neunhunderttausend Postkarten mit den Portraits der
Astronauten, also von Ihnen drei. Des weiteren wollen wir die überseeischen Informationsdienste mit einer Million Ares-Buttons versorgen, neun originalgetreuen Mars-Anzügen und hundertfünfundzwanzig Ares-Pavillons mit diversen Darbietungen. Hierfür stellen wir zehntausend Karten vom Mars bereit, achthundertvierzig Saturn-Modelle, zweihundertfünfzig Marsgloben…«
Die Statistik rauschte an ihr vorbei, und die gezeigten Dias trugen nur noch zur Verwirrung bei.
Als Leiter der NASA-Öffentlichkeitsarbeit war Rick
Llewellyn aber ein schlechter Redner, sagte York sich. Es fiel ihr schwer, sich länger als für ein paar Sätze auf ihn zu konzentrieren. Sie fühlte sich wieder in die Ausbildung zurückversetzt, an die endlosen, monotonen Nachmittage mit all den Blockdiagrammen.
Doch bei näherer Überlegung war der Inhalt von Llewellyns Diavorführung ein Hammer.
»Nach Ihrer Rückkehr planen wir schon eine Welt-Tour für Sie. In einem Zeitraum von achtundvierzig Tagen werden Sie fünfunddreißig Länder besuchen und sich mit Leuten von der Presse und vom Fernsehen treffen, mit Wissenschaftlern, Studenten und Lehrern sowie mit Politikern. Sie werden nach Mexiko gehen, nach Kolumbien, Brasilien, Spanien, Frankreich, Belgien, Norwegen, England…
Für die Medien haben wir im Rahmen der Missionsplanung
Leitlinien entwickelt. Zuerst repräsentiert Ares natürlich den Menschen auf dem Mars. Das ist die Verwirklichung eines uralten Traums. Es liegt in der Natur des Menschen, sich Herausforderungen zu stellen. Dieser Kram eben. Was den historischen Aspekt betrifft, so beruht Ares auf den Leistungen vieler Wissenschaftler, von Newton über Goddard bis hin zu von Braun. Sie wissen Bescheid. Und mit Blick auf die Gegenwart betonen wir den starken internationalen Bezug von Ares, die weltweite Forschung, den freien Zugang zu Proben und Daten, die Beobachtungsstationen in aller Welt, die Unterstützung durch die Russen bei Ihrem Training und so weiter. Nicht zu vergessen natürlich, daß die Menschheit vom Raumflug profitiert – Sie gehen ausführlich auf die Nebeneffekte ein. Und dann geben Sie der Hoffnung Ausdruck, daß die Ares-Technik trotz der Ausrichtung auf den Weltraum dazu beitragen wird, die Probleme auf der Erde zu lösen…«
Ares als Schaufenster für technokratische Lösungen, sagte York sich bitter. Jorge hatte doch recht. Es handelt sich nur um einen Aufguß von Apollo.
Nur daß das Stimmungsbarometer im Vergleich zu den
Sechzigern leicht gefallen war. Heute schwadronierte Reagan vom Krieg der Sterne, faselte von Teilchenstrahlen und Lasern und ›intelligenten‹ Geschossen. Der Weltraum mußte wieder einmal als Arena fürs nationale Kräftemessen herhalten. Und Ares diente der Reagan-Administration als Alibi, nationale und internationale Ängste wegen des militärischen Einsatzes der Weltraumtechnik zu zerstreuen. Die Medien hatten Ares und die ›Krieg der Sterne‹-Initiative verquickt. Ares war der ›Dr.
Jekyll‹ des amerikanischen Raumfahrtprogramms, und die
Strategische Verteidigungsinitiative war ›Mr. Hyde‹. Vielleicht hatte die Regierung das von Anfang an geplant, als sie Joe Muldoon 1981 mit der Neuordnung der Mission beauftragte.
Sie erkannte die Handschrift von Fred Michaels, der noch aus dem Ruhestand in Dallas die Fäden zog. Michaels hatte Reagan Ares und SDI sozusagen als Paketlösung verkauft – und der Öffentlichkeit und dem Kongreß. Solange Reagan Milliarden Dollar in die Rüstung pumpte, würde davon auch ein kleines Rinnsal in die NASA fließen und Ares zugute kommen.
Geschickt eingefädelt von Michaels. Auch wenn das, wie sie erkannte, absolut unmoralisch war. Der Zweck heiligte mal wieder die Mittel.
Sie sah, daß jeder Aspekt der Mission – jeder Gimmick, jedes Spielzeug, jedes Bild –
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