Mission Ares
sie mitnehmen würde.
Sie schob das Polohemd hoch. An der Innenseite, verdeckt vom Abzeichen mit dem Missions-Logo, steckte die Nadel mit den silbernen Schwingen, die Ben Priest ihr vor so vielen Jahren in Jackass Flats verehrt hatte.
Sie legte die Nadel in den Beutel und machte den
Reißverschluß zu.
Sie wog den Beutel in der Hand. Er bestand aus einem
Spezialgewebe, einem feuerfesten synthetischen Material, das so robust war wie ein Feuerwehrschlauch. Selbst dieser profane Beutel, bei dem es sich noch dazu nur um einen persönlichen Ausrüstungsgegenstand handelte, entsprach den Anforderungen der Raumfahrt.
Sie schaute sich noch einmal im Raum um, mit dem schmalen Bett, dem kleinen Fenster und dem Fernsehgerät. Sie fühlte sich hier geborgen und hatte das Gefühl, aus einem Nest
auszufliegen. Obwohl das überhaupt nicht ihr Zuhause war; sie hatte nur ein paar Tage hier zugebracht. Dennoch war es der letzte Ort auf Erden, den sie für sich beansprucht hatte. Der Ort, wo sie die letzte Nacht vor dem Start verbracht hatte.
Sie nahm einen Stift und schrieb ihren Namen an die Tür. Das war eine Kosmonautentradition, die Wladimir Wiktorenko ihr vermittelt hatte.
Dann öffnete sie entschlossen die Tür und verließ den Raum.
Banana River
Gregory Dana hatte im Holiday Inn übernachtet. Er hatte Glück gehabt, daß noch ein Zimmer frei gewesen war. Jedes Hotel in Zentralflorida war seit Februar aus gebucht. Manche Häuser berechneten sogar für einen Liegestuhl am Swimmingpool den Preis für ein Zimmer. Doch das Personal des Holiday Inn hatte sich an Dana erinnert und ihm das Zimmer gegeben, das er bei seinen Arbeitsbesuchen in Cape Canaveral immer bewohnte.
In der Hotellobby deckte Dana sich mit Autoaufklebern, T-Shirts und Ansteckern für Jake und Maria ein. ARES: ICH
WAR DABEI. Die Kinder und Mary waren bei Sylvia in Hampton. Die beiden Teenager, die ihrem Vater immer ähnlicher sahen, waren wahrscheinlich schon zu cool für diesen Kram. Doch das focht Dana nicht an. Dann sollten sie es eben für ihre Kinder aufheben.
Dana hatte für einen Tag einen kleinen Kabinenkreuzer
gemietet und holte das Boot schon im Morgengrauen ab. Er fuhr zu einem flußabwärts gelegenen Ankerplatz, der sich fünf Kilometer südlich der Startrampe befand.
Er hätte natürlich auch einen Tribünenplatz bekommen oder den Start von einem der NASA-Zentren aus verfolgen dürfen.
Doch so war es ihm lieber. Er wollte allein sein. Er brauchte den Freiraum, um Jims zu gedenken – von Rechts wegen hätte Jim nämlich einer der drei Mars-Forscher sein müssen, die in der Spitze der großen Rakete auf Rampe 39-A steckten.
Überhaupt war er gern auf dem Wasser. Deshalb hatte er es auch so lange in Hampton ausgehalten. Und aus dieser Perspektive kam der an der Grenze zwischen Land und Meer gelegene Raumhafen am besten zur Geltung. Es war, als ob drei Elemente – Land, Meer und Weltraum – sich an diesem Ort vereinigt hätten, hier, wo die Kette von massiven Raketensilos der Erosion des platten Lands Einhalt gebot.
Auf dem Wasser war er genau richtig. Zumal er den Start vom Ankerplatz aus besser verfolgen konnte als von der Tribüne aus.
Er manövrierte durch die Armada von Jachten, Booten,
Katamaranen und Kajaks, die sich auf dem Kanal tummelten.
Die Wasserstraße war fast so verstopft wie die Autobahnen und Landstraßen. Es würde ein paar Stunden dauern, bis er den Ankerplatz erreicht hatte, doch er hatte schließlich Zeit.
Die Sonne kam zwischen den niedrigen Wolken über dem
Golfstrom hervor.
Gebäude für Operationen der Bemannten Raumfahrt,
Cocoa Beach
Der Anzugs-Raum hatte die Größe einer Hotelsuite: mit weiß getünchten Wänden, fensterlos, steril. Drei Liegen standen in der Mitte des Raums. Drei orangefarbene Druckanzüge, deren leere Helme wie offene Mäuler klafften, lagen auf dem Boden.
Das weiße Licht blendete sie; der Raum wirkte wie ein
futuristisches Labor, und die Anzüge sahen aus wie die
sezierten Kokons gigantischer Insekten.
Anzugstechniker, die mit weißen Overalls bekleidet waren und Kappen und Mundschutz trugen, kamen auf die Besatzung zu und applaudierten. Ein paar Techniker hatten diesen sanften, verklärten Blick, der York schon in den letzten Monaten auf ihren Reisen durch das Land aufgefallen war.
Nach dem Wohnheim und dem Casino war das die erste
wahrhaft unmenschliche Umgebung, in der York sich heute
aufhielt.
Sie bekam ein flaues Gefühl im Magen. Sie bemühte sich, das Tempo
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