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Mission Ares

Mission Ares

Titel: Mission Ares Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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interessierte. Immerhin war Yorks Gesundheitszustand der NASA hinlänglich bekannt.
    Fragmente ihres Körpers, Abstriche und Flüssigkeitsproben waren über ein Dutzend NASA-Einrichtungen verteilt und
    wurden gehütet wie Mondgestein.
    Doch auf einer anderen Ebene ergab es sehr wohl einen Sinn.
    Es war Teil des Rituals. Wie ein Priester, dem man die Robe umhängt, sagte sie sich. Sie war ein besonderer Mensch und mußte auch als solcher behandelt werden.
    Dann ging sie ins Kasino. Sie mußte mit den beiden
    Kameraden an einem Tisch Platz nehmen, der zusammen mit
    einem anderen Tisch ein T-förmiges Arrangement bildete. Ihr Tisch war der Querstrich des T. Hinter ihr befand sich ein Vorhang. Auf dem Tisch standen eine üppige Blumenvase, um die ein Band mit der Aufschrift ›Ares‹ geschlungen war sowie ein Gesteck aus Seidenschleifen, welche die Form des Missionslogos hatten. Der längere Tisch war auf beiden Seiten mit Leuten besetzt, die sie anstarrten. In der Mitte des Tischs verlief eine angesichts des historischen Moments profane Spur aus Soßenflaschen und Pfefferstreuern.
    Ihr kam es vor wie ein Hochzeitsmahl.
    Das Mahl gehörte ebenfalls zum Ritual vor dem Start: die Speisekarte umfaßte Steak, Eier, Saft, Toastbrot und Kaffee.
    Jedem Astronauten, bis hin zu Al Shepard, war das gleiche Menü vor dem Flug aufgetischt worden.
    York versuchte sich am Steak, doch es war dick und zäh und schmeckte wie Hartgummi.
    Sie hatte versucht, diesen Teil des Rituals abzuändern. Ein wenig Müsli und Milch hätten ihr völlig gereicht. Doch die Ärzte hatten sie eindringlich über die Bedeutung von
    ›rückstandsarmer Nahrung‹ vor dem Start belehrt. Dadurch sollte das Volumen der festen Ausscheidungen verringert
    werden. Was sich in der Theorie noch gut anhörte, mutierte in der Praxis zu Mahlzeiten, die aus halbgarem Fleisch bestanden.
    Sie schaute in die Runde. Dort saßen Direktor Josephson
    sowie hochrangige Vertreter der jeweiligen NASA-Zentren und der Luft-und Raumfahrtindustrie. Sie erkannte Gene Tyson von Columbia, der Firma, die das MEM gebaut hatte. Er
    hockte da wie ein feister, selbstgefälliger Buddha. Es waren noch weitere hochrangige Astronauten anwesend, Bob
    Crippen, Fred Haise und andere. Und dort waren Ted Curval und Adam Bleeker, die grinsten und Witze rissen, als ob alles eitel Sonnenschein wäre. Doch York empfand das Grinsen als gezwungen und glaubte einen harten Ausdruck in seinen Augen zu erkennen.
    Sie sagte sich, daß die neben ihr sitzenden Herren Stone und Gershon gut drauf waren. Sie waren nur zwei Kameraden von der Luftwaffe, die mit den anderen Piloten scherzten.
    Bescheiden, tapfer, entspannt. Fast schon gelangweilt. Wieder ein Tag im Büro. Es war eine gute Darbietung.
    Unter der Oberfläche indes – der bemühten Lässigkeit, des leisen Klirrens von Besteck auf den Tellern, des sporadischen Gelächters – war die Atmosphäre im Kasino bis zum Zerreißen angespannt.
    York wußte nicht, was sie sagen sollte. Und je länger das Mahl sich hinzog, desto größer wurde die Angst, daß ihr die Stimme versagen würde, wenn sie sich überhaupt zu Wort
    meldete.
    Sie piekste mit der Gabel in das hartgekochte Ei.
    Fred Haise schaute immer wieder auf die Uhr. Wie jeder
    andere Vorgang an diesem Tag war auch das Frühstück zeitlich genau eingegrenzt.
     
    Die Besatzung wurde wieder auf die Zimmer geschickt.
    York putzte sich die Zähne. Anschließend überprüfte sie das Handgepäck. Sie würde nicht viel mitnehmen: einen Kalender und ein vergilbtes Mariner 4-Foto. Nun stellte sie jedoch fest, daß, während sie beim Frühstück gesessen hatte, noch ein paar Dinge eingeschmuggelt worden waren. Zum Beispiel ein Kärtchen vom Heiligen Christoph, das ihr allerdings bekannt vorkam: ihr Vater hatte gesagt, diese Karte hätte schon seinen Vater durch den Ersten Weltkrieg begleitet. Dann waren da noch eine Glückwunschkarte von ihrer Mutter und ein Geschenk von ihrer alten Schule, eine Brosche in Form einer Orbitalellipse mit einem winzigen Rubin, der den Mars
    darstellen sollte.
    Und dort erspähte sie ein kompaktes Gebilde: ein kleiner Kosmonaut, dessen Troglodytengesicht sie unter dem Helm
    lüstern anstarrte. Am Kopf war eine kurze Kette befestigt. Sie grinste. »Hallo, Ba-riis.«
    Privatsphäre war hier ein Fremdwort; wahrscheinlich hatte man eines der Zimmermädchen bestochen, damit es den Kram einschmuggelte. Aber das war ihr egal. Es gab sowieso nur einen wirklich persönlichen Gegenstand, den

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