Mission Ares
ein großes Fenster mit einem Panoramablick auf das fünf Kilometer entfernte Merritt Island und die himmelwärts strebenden Starttürme. Im Gegensatz zum MOCR war der
›Abschußraum‹ nicht von der Außenwelt abgeschottet.
Und im Augenblick des Starts wurde der ›Abschußraum‹ von echtem, ehrlichen Raketen-Licht durchflutet.
Und die Atmosphäre war auch eine andere. Die Controller arbeiteten unabhängig von den Jungs im Kontrollzentrum und hatten einen eigenen Ermessensspielraum, denn sie befanden sich hier im Brennpunkt des Geschehens. Sie wirkten eher wie Techniker. Den LCC-Controllern oblag die Verantwortung für die ersten Sekunden des Flugs; sie waren diejenigen, welche die ›Drecksarbeit‹ erledigen mußten, um die Rakete überhaupt hoch zu bekommen.
In einer solchen Atmosphäre fühlte Donnelly sich wohl.
Kurze Zeit nach dem Apollo-N-Fiasko war er mit seiner Familie nach Florida gezogen, um hier einen beruflichen Neuanfang zu versuchen.
Die Befürchtung, daß von der gequirlten Scheiße etwas an ihm hängenbleiben würde, hatte sich leider bewahrheitet. Nun, er war kein Flugleiter mehr, das Indigo-Team war nur noch eine schlechte Erinnerung, und Donnellys Karriere würde wohl nie mehr im alten Glanz erstrahlen. Wenigstens stand er noch immer im Dienst der NASA.
Sie erreichten T minus fünf Minuten, und die Controller nahmen die letzten Überprüfungen an den Systemen vor, ehe die Automatik übernahm.
»Lenkung?«
»Alles klar.«
»EECOM?«
»Alles klar.«
»Booster?«
»Alles klar.«
»Retro?«
Damit war Donnelly gemeint.
Er schaute auf die Konsole. Sein Blick war getrübt. »Alles klar«, sagte er.
Jacqueline B. Kennedy-Raumfahrtzentrum
Helikopter flogen über die Startrampen hinweg. Muldoon wußte, daß es sich bei den Piloten um Bob Crippen und Fred Haise handelte, welche die Witterungsbedingungen für den Start erkundeten.
Bei T minus zehn Minuten durchlief der Countdown den
letzten geplanten Haltepunkt. Danach gab es kein Halten mehr, und für Muldoon entwickelten die Ereignisse eine Dynamik, als ob er von einer Klippe stürzen würde.
Bei dreißig Sekunden erhob Muldoon sich mit den anderen vom Sitz und richtete den Blick auf die Saturn. Außer sporadischen Dampfschwaden aus den kryogenischen Tanks wirkte die Startrampe so statisch wie ein Werksgelände.
Für einen Moment war es still.
Dampfschwaden – aus dem Schalldämpfungs-Wassersystem – quollen aus beiden Seiten des Triebwerks. Muldoon sah, wie die Halterungen von der Rakete zum Turm zurückschwenkten.
Start des Haupttriebwerks.
Dann eruptierte ein grelles weißes Licht an der Basis der Saturn.
Die Saturn erhob sich vom Boden und zog eine Schleppe aus weißem Rauch nach, die im Kern orangefarben glühte, als ob sie brennen würde. Das Triebwerk hatte Ähnlichkeit mit einem weißen Knochensplitter, der auf einem Wattebausch aus flüssigem, weißgelben Licht ritt. Dieses Licht, das Feuer der Feststoff-Booster, war von gleißender Helligkeit. Dies hier, die Brillanz des Raketenlichts, so sagte er sich, bekamen die Fernsehzuschauer nie zu Gesicht. In diesem Moment würden die Aufnahmen fürs Fernsehen nämlich gefiltert werden müssen, so daß das Raketenlicht abgeblendet wurde, der Himmel dunkelblau und der Rauch dunkelgrau erschienen.
Die Rakete kippte vornüber und stieg in einer steilen Kurve auf: das Nickmanöver war so abrupt, daß es fast den Anschein hatte, als ob die Rakete umkippte. Die Rauchsäule überragte den Startturm inzwischen um ein Vielfaches.
Die Saturn stieß durch eine vereinzelte Wolke, als ob ein Faden durchs Nadelöhr gefädelt würde. Die Oberfläche des Kanals kräuselte sich und reflektierte das gleißende Licht der Rakete.
Zehn Sekunden nach dem Start kam der Schall schließlich bei ihm an, und zwar in Form einer niederfrequenten Schwingung, die im Körper rumorte. Dann hörte er einen krachenden Donner, der in mehreren Schüben vom Himmel regnete: das waren die Schockwellen der Raketentriebwerke, gewaltige nonlineare Wellenformen, die zusammenfielen und sich dabei überlagerten. Durch diesen Baß hörte er, wie die Leute um ihn herum jubelten und in die Hände klatschten.
Vor ihm, als Silhouette im Raketenlicht, stieß JFK die Faust in die Höhe.
Muldoon spürte, daß eine gewaltige Energie freigesetzt wurde: als ob er an einem großen Wasserfall gestanden hätte.
Nur daß diese Energie von Menschen erzeugt und beherrscht wurde. Ihn überkam ein Gefühl des Triumphs und des
Weitere Kostenlose Bücher