Mission Ares
einer Simulation wäre.
Wenn sie nach draußen ging, würde die Landschaft schon
real werden.
Stone trat nun auch in die Schleuse. Stone und York trugen Thermo-Unterwäsche sowie ein sogenanntes Kühlungs-und
Belüftungs-Oberteil mit wasserführenden Lamellen, die an den Kühler eines Kraftfahrzeugs erinnerten. York hatte den
Katheter eingeführt, und Stone hatte den Urinbeutel
übergestreift, der wie ein übergroßes Kondom aussah. Die beiden wirkten bizarr, geschlechtslos und irgendwie lächerlich.
»Schöner Anblick«, murmelte Stone. »Ralph behauptet, er
würde sogar den Mond mit bloßem Auge sehen.«
»Vielleicht stimmt das. Möglich wäre es jedenfalls.« Der Mond müßte von ihrer Position aus als schwach leuchtender silbergrauer Stern erscheinen, der den Mutterplaneten in geringem Abstand begleitete.
Stone hatte York die Untere Torso-Garnitur mitgebracht – die untere Hälfte des EVA-Anzugs, die Hose mit integrierten
Stiefeln. »Komm schon, York; genug herumgetrödelt.«
Sie starrte den Anzug an. Die Situation kam ihr beinahe irreal vor. »Ist es schon soweit, hmh.«
Sie hakte die Ärmel der Kühlweste zwischen Daumen und
Zeigefinger ein; dadurch wurde vermieden, daß die Ärmel nach oben rutschten. Sie betrachtete die Hand und das
Kunststoffgeflecht auf den Handballen; das war der erste Schritt in der ausgefeilten Ankleide-Zeremonie, und schon bei diesem simplen Handgriff bekam sie Herzklopfen.
Dann stieg sie in die Untere Torso-Garnitur. Die aus
mehrlagigem Gewebe bestehende Einheit war schwer und steif, und sie schien sich Stones Bemühungen zu widersetzen, York beim Anlegen zu helfen. Sie war jetzt bereits erschöpft.
Nun schloß sie einen Schlauch an den Katheter an, der zu einem Urinbeutel mit einem Fassungsvermögen von einem
Liter führte. Einen Sammelbehälter für Kot gab es jedoch nicht; statt dessen trug sie eine Art Windelhose, welche gemäß Dienstvorschrift ›die Darmtätigkeit absorbieren würde, die während eines EVA nicht unterdrückt werden kann‹.
York würde versuchen, es zu unterdrücken.
Nun kam der Harte Oberkörperschutz an die Reihe, abgekürzt
∗
HUT . Ihr HUT hing an der Wand der Luftschleuse. Er glich der oberen Hälfte einer Ritterrüstung und verfügte über einen integrierten Lebenserhaltungs-Tornister.
Sie duckte sich unter den HUT und hob die Arme. Dann
richtete sie sich auf und wand sich in den HUT. In der
Dunkelheit der fabrikneuen Schale roch es nach Kunststoff, Metall und Watte.
Sie steckte die Arme in die Ärmel und schob die Hände
hindurch, wobei die Kühlschlangen den Daumen quetschten.
Die Schultern wurden schmerzhaft zurückgebogen. Es war ein beschwerlicher Vorgang. Und dabei waren diese Anzüge noch viel unkomplizierter als die alten Mondanzüge; die Apollo-
∗ HUT = Hard Upper Torso
Besatzung hatte die Anzüge auf der Mondoberfläche regelrecht montieren und die Schläuche an die Wasser-und Sauerstofftornister anschließen müssen.
Sie schob den Kopf durch den Helmring. Stone grinste sie an.
»Hallo.« Dann zog er den HUT ruckartig herunter, brachte die metallenen Hüftringe der beiden Hälften zur Deckung und
arretierte den Bajonettverschluß.
Nun half sie Stone in den Anzug.
York und Stone steckten schon seit fast zwei Stunden in der engen Luftschleuse. Der Druck der Challenger- Atmosphäre betrug siebzig Prozent des Luftdrucks auf Meereshöhe. Sie bestand aus einem Gemisch aus Stickstoff und Sauerstoff, doch um die Flexibilität der Anzüge zu gewährleisten, wurden sie nur mit Sauerstoff mit einem Viertel des Drucks auf Meereshöhe versorgt. Also mußten York und Stone vorab
reinen Sauerstoff atmen, um den Stickstoff aus dem Blut zu lösen.
Es war ein beschwerliches Ritual. Zumal die Einsätze auf dem Mars auf drei, maximal vier Stunden begrenzt waren. Die Apollo-Tornister hatten eine Kapazität von sieben Stunden gehabt. Doch der Mars besaß die doppelte Schwerkraft des Mondes, so daß die Marsanzüge proportional leichter sein mußten, was wiederum eine entsprechend geringere Kapazität zur Folge hatte. Und nach jedem EVA mußten die Anzüge einer langwierigen Reinigung unterzogen werden: die
Besatzung mußte den Marsstaub absaugen, der stark
oxidierend war und die Lunge zerstörte, wenn er in die
Challenger gelangte.
Die kurzen EVAs mit der flankierenden Vorbereitung,
Reinigung und Dekontaminierung würden fast jeden Tag auf dem Mars ausfüllen. Es würde ein mühsames Tagewerk
werden.
York setzte
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