Mission Ares
an der Tribüne in der Nähe des VAB.
Die Tribüne war mit über zwanzigtausend Zuschauern besetzt, wie man Muldoon gesagt hatte, darunter fünftausend
Ehrengäste und viertausend Journalisten. Erschienen waren Prominente, Politiker, Familien und Freunde der Besatzung.
Eine Million Menschen hielten sich im Umkreis von hundert Kilometern um diesen Ort auf.
JFK war auch da. Er saß im Rollstuhl und versuchte, sich mit einer großen Sonnenbrille zu tarnen. Trotzdem wirkte er viel älter als ein Achtundsechzigjähriger. Der Rest von Muldoons alter Apollo-Besatzung war ebenfalls erschienen, und die PR-Experten der NASA ließen die dreiköpfige Truppe – Armstrong, Muldoon und Collins – in Linie hinter dem
gebrechlichen, alten Ex-Präsidenten antreten, mit der Saturn im Hintergrund.
Nachdem der Öffentlichkeitsarbeit Genüge getan war, nahm Muldoon Platz.
Er blickte nach Osten, in die Morgensonne. Es war ein klarer, windstiller Morgen, der nur von vereinzelten Wolken getrübt wurde. Der Wetterdienst sagte mit einer Wahrscheinlichkeit von über achtzig Prozent gute Witterungsbedingungen für den Start voraus.
Das VAB stand als wuchtiger Block zu Muldoons Linken,
und die Scheiben der davor geparkten Fahrzeuge glänzten wie schillernde Käfer. Auf dem Rasen vor ihm befanden sich
Kameramänner, die Fahnenstange und die große digitale
Countdown-Uhr. Auf der anderen Seite zog der Kanal sich
durchs Blickfeld. Dahinter war eine Baumreihe. Und hinter den Bäumen – am vom Morgendunst eingetrübten Horizont –
erspähte er die blaugrauen Formen der beiden Rampen des
Startkomplexes 39. 39-A, die Rampe für Ares, befand sich zur Rechten.
Wenn er den Blick weiter nach rechts wandte, sah er weitere Startkomplexe, die wie Skelette in den Himmel ragten: die Interkontinentalraketen, welche entlang der Atlantikküste stationiert waren.
Das Kennedy-Weltraumzentrum hatte sich seit seinem ersten Flug mit Gemini sehr verändert. Noch aus dieser Entfernung sah man, in welchem Ausmaß das Weltraumprogramm gestutzt worden war. Die Zahl der Beschäftigten war um die Hälfte reduziert worden. Der Startkomplex 19, von dem aus er mit Gemini gestartet war, existierte noch und wurde für unbemannte Titan-Starts genutzt. Doch von den insgesamt
sechsundzwanzig Startkomplexen des Raumhafens waren nur
noch zehn in Betrieb. Die Startrampen zerfielen, und die verrosteten Starttürme waren bereits abgerissen und von der NASA an Schrotthändler verhökert worden.
Doch Komplex 39-A existierte noch. Einst war er von dort mit Apollo gestartet. Und nun stand die Ares-Stufenrakete dort und wartete auf die Startfreigabe.
Hinter Muldoon unterhielten zwei alte Damen sich über die Start-Parties, die sie im Lauf der Jahre in ihren Gärten in Florida veranstaltet hatten, derweil mit Elite-Astronauten bemannte Raumschiffe über den Köpfen am nächtlichen Himmel ihre Bahn gezogen hatten.
Die NASA hatte für die Presse Bürocontainer aufgestellt.
Dort gingen nun Reporter ein und aus und deckten sich mit Kopien des Missions-Zeitplans und Werbegeschenken von den Firmen der Luft-und Raumfahrtindustrie ein. In den Ü-Wagen der Fernsehsender, die zu Muldoons Linken in der Nähe des VAB stationiert waren, herrschte geschäftiges Treiben. Die Panoramabildschirme leuchteten im Morgenlicht.
Aus Lautsprechern dröhnten die Stimmen der Astronauten
auf der Luft-Boden-Schleife, während das Kontrollzentrum in Houston und die Startzentrale hier in Cape Canaveral die aktuellen Daten durchgaben. Der PR-Leiter verkündete die Etappen des Countdowns. Eine Reporterin, die in der Nähe von Muldoon stand, zweckentfremdete eine zerknitterte Pressemitteilung als Fächer.
Muldoon, der sich in einen schwarzen Anzug gezwängt hatte, schwitzte und hatte Durst. Er fühlte sich alt und rastlos.
Der Nebel löste sich unter der Sonneneinstrahlung auf. Er sah, wie die weiße Nadel der Saturn auf 39-A sich aus dem blauen Dunst schälte.
Start-Kontrollzentrum,
Cape Canaveral
Als er die Tätigkeit hier in Cape Canaveral aufnahm, wähnte Rolf Donnelly, der bislang im MOCR in Houston gearbeitet hatte, sich im LCC, dem Start-Kontrollzentrum, wie in einer anderen Welt.
Der ›Abschußraum‹ verfügte zwar über die gleiche EDV-Ausrüstung wie das Kontrollzentrum in Houston, war darüber hinaus aber noch mit sechzig Monitoren ausgestattet, welche die Saturn-Stufenrakete aus unterschiedlichen Blickwinkeln zeigten. Und der Leitstand hinter dem ›Schützengraben‹ hatte
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