Mission Ares
Ordnung?«
Natalie traute ihren Augen nicht. Sie ließ sich von Priest ein Bild nach dem andern zeigen.
Wenigstens, so wurde sie sich später bewußt, hatten die
Mysterien der Geologie des Mars sie von Priest abgelenkt.
Samstag, 11. Dezember 1971
NASA-Hauptquartier, Washington, DC
Nachdem Fred Michaels aufgelegt hatte, saß Tim Josephson mit einem Glas Whisky im Büro.
Die Entscheidung war gefallen.
Eigentlich hätte er ein Gefühl des Triumphs spüren müssen.
Des Überschwangs. Wir haben, was wir wollten, bei Gott.
Einen neuen großen Spielplatz, ein Programm, mit dem Tausende von NASA-Mitarbeitern für ein Jahrzehnt und länger beschäftigt sein werden.
Doch er war zu müde und zerschlagen, um in Jubel
auszubrechen. Ihm fielen bald die Augen zu. Er hatte den ganzen Tag Telefondienst gehabt und Fred Michaels’ Manöver unterstützt. Und es gab immer noch hundert Dinge, die zu erledigen waren. Doch es gab nichts, so sagte er sich, das nicht auch bis morgen Zeit gehabt hätte.
Also zog er die Schuhe aus, legte die Füße auf den
Schreibtisch und sprach ins Diktiergerät.
In den letzten Monaten hatte Josephson, der als Assistent für Fred Michaels arbeitete, erstaunliche Einblicke in die Entscheidungsfindung auf höchster Ebene gewonnen: die
Bewahrung des nationalen Prestiges, die Verteilung von
zweistelligen Milliardenbeträgen und den Postenschacher im Bereich der Politik, der Wirtschaft und der Streitkräfte. Eines Tages würde er ein Buch darüber schreiben. Vielleicht mit dem Titel Management im Zeitalter der Raumfahrt.
Die Entscheidung über Amerikas Zukunft im Weltraum hatte sich als außerordentlich schmerzlich erwiesen.
Josephson hatte von Anfang an gewußt, daß Nixon nur das
Notwendigste in die Raumfahrt investieren wollte.
Tatsache war, daß Nixon – im Widerspruch zur offiziellen Linie – in der Innenpolitik einen ausgesprochen liberalen Kurs einschlug. Mitten in einem Krieg, der die Ressourcen der Volkswirtschaft aufzehrte, wollte er Mittel freisetzen, um die Sozialausgaben zu erhöhen und das Lohn-und Preisniveau zu stabilisieren.
Und diese Mittel sollten sozusagen aus dem Weltraum
kommen. Doch die Raumfahrt-Lobby war ein harter Gegner.
Also hatte Nixon kurz nach seinem Amtsantritt den Kongreß bevollmächtigt, die derzeitigen Ausschüsse für Raumfahrt ›wegzuorganisieren‹, so daß die Raumfahrt nun in die
Zuständigkeit des Unterausschusses für Finanzen des Senats und des Unterausschusses für Wissenschaft und Technik des Kongresses fiel. Durch den Verlust des direkten Kanals zum Kongreß lief die NASA nun Gefahr, ihren heroischen Status zu verlieren und zu einer Abteilung von vielen zu werden, die um Finanzmittel kämpfte.
Für die meisten am Raumfahrtprogramm beteiligten Leute –
sogar innerhalb der NASA – gingen solche Veränderungen
unbemerkt vonstatten, doch für Eingeweihte wie Josephson und Michaels waren sie dramatisch und stellten einen
Gradmesser für Nixons Entschlossenheit dar, das gesamte
Raumfahrtprogramm zu beschneiden.
Doch dann hatte das Weiße Haus den Widerstand der Luft—
und Raumfahrtindustrie zu spüren bekommen.
Die Branche kränkelte wie eh und je. Paradoxerweise wurde ihre Situation durch den technischen Fortschritt noch prekärer.
Neue Systeme kamen entweder gar nicht erst zum Einsatz oder hatten nur eine kurze Produktionsdauer: wenn es funktioniert, ist es schon veraltet. Die Unternehmen der Luft-und Raumfahrtindustrie gingen bei jedem Auftrag, den sie annahmen, ein großes Risiko ein.
Doch offensichtlich brauchte die Regierung eine gesunde
Luft-und Raumfahrtindustrie. Also mußten Mittel und Wege gefunden werden, um der Industrie in schlechten Zeiten über die Runden zu helfen: um die Wohlfahrt zu mehren und die Forschung zu subventionieren. Das zivile Raumfahrtprogramm war für diesen Zweck ideal. War es immer schon gewesen.
Also hatte Fred Michaels seit Anfang 1971 die Kunde
ausgestreut, daß die Luft-und Raumfahrtindustrie bei den gegenwärtigen Kürzungen im Raumfahrtprogramm kein Jahr
mehr durchhalten würde. Dabei wandte er sich insbesondere an Kongreßabgeordnete aus Staaten wie Kalifornien, Texas und Florida, wo die Kürzungen zum Wahlkampfthema gemacht wurden. Und er forderte die Auftragnehmer der jeweiligen Programme auf, die Beschäftigungswirkung der
entsprechenden Optionen ruhig etwas höher anzusetzen. Damit sollte das Weiße Haus unter Druck gesetzt werden. 1972 ist ein Wahljahr. Wir brauchen ein
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