Mission Ares
Gewicht auf den Augapfel gestellt wurde, um den Flüssigkeitsaustritt zu messen.
Anschließend erfolgten medizinische Untersuchungen. Sie
mußte vier Stunden lang in einem Faraday’schen Käfig liegen, einer Metallhülle, die sie vor elektrischen Feldern abschirmte, während ein Kardiogramm erstellt wurde. York kam sich vor wie ein Schimpanse im Zoo. Dann wurde sie in einer Art Fallschirmgurt aufgehängt, während das Blut in die Füße floß.
Sie mußte hyperventilieren, bis die
ersten
Ausfallerscheinungen auftraten und das Blickfeld
verschwamm.
Dann – brutal schnell – wurde sie einem EKG unterzogen.
Sie ging treppauf und treppab, wobei sie Elektroden an die Brust halten mußte. Am Ende des Tests mußte sie in ein Mundstück blasen, zwecks Messung des Volumens des
ausgeatmeten Kohlendioxids.
Es erfolgten Untersuchungen des Innenohrvorhofs, des
Gleichgewichtsapparats des Mittelohrs. Abwechselnd warmes und kaltes Wasser wurde ihr ins Ohr gespritzt, um die Kanäle des Vestibulums zu irritieren und sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ärzte schauten ihr in die Augen, um die Zeitdauer zu ermitteln, bis die Augenlider aufhörten zu flattern.
Später sollte sie auf einer geraden Linie durch einen
verdunkelten Raum gehen. Damit sollten eventuelle Störungen des Gleichgewichtssinns festgestellt werden. Als das Licht wieder anging, sah sie, daß sie vielleicht einen Meter von der Mittellinie nach links abgewichen war.
Beim Kippstuhl handelte es sich um ein weiteres Gerät zur Untersuchung des Gleichgewichtsapparats. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem elektrischen Stuhl, der sich auf einer rotierenden Plattform in der Mitte eines stockdunklen Raums befand. Sie wurde auf dem Stuhl angeschnallt, und Elektroden wurden an ihr befestigt, um die Augenbewegung zu verfolgen. Dann wurde der Stuhl mit einer Drehzahl von zwanzig Umdrehungen pro Minute gedreht und gleichzeitig
nach vorn und hinten geneigt. Kipp-und Drehrichtung wurden ständig umgekehrt. Es war wie eine Fahrt in einem Karussell, das von einem Irren betrieben wurde; bei jedem Kippen überkam York ein Brechreiz, doch die Genugtuung des
Erbrechens gönnte sie diesen Arschlöchern nicht.
In halbstündigen Intervallen mußte sie Urinproben abliefern; zu diesem Zweck mußte sie reichlich Wasser trinken. Sechsmal wurde ihr eine Blutprobe entnommen. Schließlich kollabierten die Venen in beiden Armen wegen der wiederholten Einstiche.
Die körperlichen Eignungstests wurden durch psychologische Tests aufgelockert: sie mußte mit Bauklötzen spielen, Selbstportraits zeichnen und einen fünfhundert Fragen
umfassenden Persönlichkeitstest absolvieren. Des weiteren standen Intelligenztests, Rorschach-Tintenklecks-Tests, Gedächtnis-Tests, Wortschatztests sowie Mathematik-Tests und Tests zum Leseverständnis auf dem Programm.
Sie arbeitete ein Blatt mit ›persönlichen Werten‹ durch, um Aufschluß über die Motive zu geben, aus denen sie zur Raumfahrt neigte. Sie brütete über den fünfzig Fragen, die mögliche Motive beinhalteten wie Geld und Ruhm, das Wohl der Menschheit, Abenteuerlust und Forschungsdrang.
Zunächst wollte York ehrlich antworten. Natürlich sind es die wissenschaftlichen Entdeckungen. Schließlich wählen sie hier Missions-Spezialisten aus! Was, zum Teufel, erwarten sie sonst? Doch dann kamen ihr Zweifel. Einseitigkeit, die Fixierung auf die Wissenschaft würde keinen guten Eindruck machen. Jeder Astronaut, sogar ein Spezialist, würde sich auch an Routinearbeiten beteiligen müssen. Zumal ein Mitglied der Mars-Expedition auch in der Öffentlichkeit eine gute Figur machen und in der NASA-Tradition den guten Amerikaner, das Abbild von John Glenn verkörpern mußte.
Also ging sie die Punkte nochmals durch und fragte sich, welche Kriterien in den Augen der Prüfer wohl relevant wären.
Dann wurde ihr bewußt, daß die anderen Kandidaten das
gewiß auch schon erkannt und die Antworten in ähnlicher
Weise frisieren würden.
Sie ging die Liste ein drittesmal durch und versuchte das zu berücksichtigen…
Ein ernster junger Mann erörterte mit ihr ein von einem
Computer erstelltes Streuungsbild. Die Ergebnisse schienen ihn zu verwirren: hier war sie nur befähigt, ein Ziel auf einmal zu verfolgen, dort erwies sie sich als flexibel und war imstande, mehrere Ziele gleichzeitig und gar in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander zu verfolgen; hier drüben deutete das Resultat auf eine hohe Eigenmotivation hin, doch dort
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