Mission auf Leben und Tod
deren Gewehren sich das Nachmittagslicht fing.
Kurz nach halb drei wurde vor dem eleganten Stadthaus in einer der teuersten Gegenden von Rennes der Polizeikonvoi zusammengestellt, der Henri Foche nach Saint-Nazaire begleiten sollte. Vier bewaffnete Beamte waren an der von Bäumen gesäumten Einfahrt postiert, einer stand an der Tür, ein weiterer innen im Flur. Dazu kamen vier Motorradfahrer, die mit Blaulicht auf der nun abgesperrten Straße warteten. Foches Mercedes-Benz wurde vorn und hinten von Streifenwagen abgeschirmt. Alle vier Insassen, selbst der Fahrer, waren bewaffnet; die Wagen warteten mit laufenden Motoren und blitzenden Blaulichtern.
Henri Foche und seine Frau tranken ihren Kaffee aus, und Claudette bat ihn zum wiederholten Mal, »diesen verrückten Ausflug zu der dämlichen Werft« abzusagen, »wo ein Durchgeknallter nur darauf wartet, dich und vielleicht auch mich zu erschießen.«
»In der Bretagne wird mich keiner umbringen«, knurrte er. »Die Werftarbeiter zählen auf mich. Nichts wird mich von der Rede heute Nachmittag abbringen. Es geht um die Menschen dort! Und um Frankreich.«
Claudette rollte mit den Augen. »Mir ist einfach schleierhaft, warum du das machst – dass du dich freiwillig in Gefahr begibst und mich auch noch mitnimmst.«
»Die Gefahr ist minimal. Die Hälfte der französischen Sicherheitskräfte ist nach Saint-Nazaire verlegt worden. Und mit Raul Declerc habe ich einen der besten Profikiller der Welt an meiner Seite. Außerdem arbeitet er mit der französischen Polizei zusammen. Dafür habe ich gesorgt. Er ist mit Savary schon auf der Werft.«
»Selbst Savary wollte die Rede abblasen.«
»Claudette, die Arbeiter, die Leute, die zu mir aufschauen, müssen hören, was ich vorhabe. Sie wollen hören, dass ihre Arbeitsplätze sicher sind und dass ich sie schütze. Mit unseren eigenen Händen werden wir Frankreich aufbauen. Pour la France! Toujours pour la France! «
»Gut, wenn du also vorhast, uns heute umzubringen, dann kann ich dir ja sagen, dass vor etwa zwei Stunden deine kleine Schauspielerin aus Paris wieder angerufen hat. Ich weiß, dass sie es war, auch wenn sie gleich wieder aufgelegt hat. Schick ihr doch ein Kondom, auf dem Vive la France! steht.«
»Halt den Mund. Ich sehe sie nicht mehr. Und wechsel nicht ständig das Thema. Das ist ein großer Tag für mich. Ich muss den Versprechungen, die ich meinen Wählern mache, treu bleiben.«
»Wow! Treu bleiben! Und das von dir, Henri Foche, der du jedem und allem untreu bist. Pour la Bretagne, pour la France! «
»Claudette, für die Frau des kommenden Präsidenten hegst du ziemlich liederliche Gedanken.«
»Und für den kommenden französischen Präsidenten führst du ein ziemlich liederliches Leben. Aber eines Tages wird es dich einholen.«
Foche stierte sie nur an und konnte nicht begreifen, dass sie seine wahre Größe nicht sehen wollte. Er schüttelte den Kopf und wusste nicht, wie er auf solche Dummheiten noch reagieren sollte.
In diesem Augenblick rief der Wachposten von der Tür: »Monsieur Foche, die Polizei meint, wir sollten allmählich aufbrechen. Es sind alle bereit.«
Henri und Claudette erhoben sich vom Tisch. Foche nahm sich sein Jackett, seine Frau trat vor den Spiegel und bürstete sich die Haare. Zwei Minuten später saßen sie im Fond des Mercedes. Der Konvoi bewegte sich langsam durch die Straßen der Stadt in Richtung Südwesten, dann ging es auf die N137, die Autobahn nach Nantes und weiter entlang der Loire nach Saint-Nazaire.
Foche war nicht zum Reden zumute. Zuweilen verabscheute er seine Frau, die er, wie er nur allzu gut wusste, schlecht behandelt hatte. Aber angesichts seiner Bedeutung, seiner Großzügigkeit, die ihr ein geradezu herzogliches Leben ermöglichte, müsste sie doch darüber hinwegsehen können. Schließlich war sie nichts anderes als ein ehemaliges Flittchen, und nach Foches Ansicht wog das stärker als jedes Ehegelübde.
Es gab, glaubte er, ein universales Naturgesetz, das die Ordnung der Dinge garantierte, und er, Henri, hatte sich ein Rasseweib geangelt, das in jeder Hinsicht unter ihm stand. Alles, was er von ihr wollte, war Dankbarkeit, grenzenlose Dankbarkeit. Nicht Aufsässigkeit und hintertriebene Bemerkungen. War das zu viel verlangt?
Der Konvoi raste nach Süden. Die beiden Motorräder an der Spitze hatten die ganze Zeit das Blaulicht eingeschaltet. Die anderen Polizeifahrzeuge sollten Blaulicht und Sirenen erst aktivieren, wenn sie die Vororte von
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