Mission auf Leben und Tod
er sie in seinen kräftigen Armen, sagte nichts und staunte nur über ihre Schönheit und den dunklen Glanz ihrer Haare, die ihr über die Schultern und in die Augen fielen. Schließlich ließ er sie los, sah ihr in die dunkelblauen Augen und fragte leise: »Annie, wie geht es ihm?«
»Nicht gut. Die ersten Symptome der Krankheit sind nicht mehr zu übersehen.«
Langsam gingen sie zum Haus.
»Wie äußern sie sich?«, fragte Mack.
»Er ist aggressiv, bockig, dazu kommt Gedächtnisverlust. Länger als fünf Minuten kann er sich nichts mehr merken. Am nächsten Tag ist alles, was er gelernt hat, wie ausgelöscht. In der Schule macht man sich große Sorgen um ihn.«
»Großer Gott«, erwiderte Mack. »Wo ist er, der arme Kerl?«
»Noch im Bett«, sagte sie. »Auch so ein Anzeichen – ungewöhnliche Müdigkeit. Die Ärzte sagen, es wird noch schlimmer werden.«
»Also Leukämie, wie von Anfang an vermutet?«
»Nicht ganz. Aber ähnlich, dazu kommt, dass sich das Nervensystem auflöst. Er bräuchte eine komplette Knochenmarktransplantation, wenn er jemals geheilt werden soll. Das Krankenhaus sagt, er ist zu jung, sie wollen ihn nicht operieren. Aber wenn wir länger warten, ist es vielleicht zu spät.«
»Und keiner weiß, wie er es bekommen hat?«
»Nein.«
»Verdammt«, sagte Mack. »Er stammt von Steinmetzen, Holzfällern, Schiffszimmermännern, Navy-SEALs und gottverdammten Polizeichefs ab. Er müsste so stark wie ein Büffel sein.«
»Damit hat es wohl nichts zu tun«, sagte Anne. »Es ist so schrecklich.«
Mack schloss die Tür und stellte seine Tasche ab. Erneut nahm er seine Frau in den Arm und küsste sie lange. Dann sagte er: »Wir sorgen dafür, dass er wieder gesund wird. Irgendwie wird es klappen, mein Gott, wir werden uns was einfallen lassen.«
»Hör zu, er könnte jeden Moment runterkommen. Willst du irgendwas, vom Offensichtlichen mal abgesehen? Soll ich dir ein Frühstück machen?«
»Das wäre großartig«, sagte er. »Auch wenn Spiegeleier mit Würstchen und Bratkartoffeln bei Weitem nicht so gut sind wie das Offensichtliche. Aber du siehst umwerfend aus.«
»Schhh«, sagte sie und sah ihm in die graublauen Augen. »Oder ich vergesse mich noch. Außerdem müssen wir mittags ins Krankenhaus. Tommys Untersuchungsergebnisse liegen vor. Vielleicht wollen sie ihn sogar über Nacht dabehalten.«
»Sträubt er sich da sehr?«
»Eigentlich nicht. Ich bringe ihn ins Bett und bleibe bei ihm im Zimmer. Er wird immer sehr schnell müde, dann fahre ich nach Hause und mache mir die ganze Nacht lang Sorgen um ihn.«
Mack küsste sie erneut. »Kann ich das Frühstück draußen auf der Veranda haben? Und gibt es schon eine Zeitung?«
»Ich seh nur noch mal nach Tommy, dann bring ich sie dir. Setz dich schon mal raus.«
Macks Vater hatte schon vor langer Zeit die vordere Veranda verglast, Anne hatte eine milchweiße Decke über den Tisch gelegt und eine kleine Vase mit rosafarbenen Strandrosen daraufgestellt. Die Korbmöbel mit ihren blau-weiß gestreiften Kissen waren ausladend und bequem. Dankbar ließ sich Mack auf dem Schaukelstuhl nieder und sah hinaus auf den breiten Mündungsarm des Kennebec. Der große, weit im Norden entspringende Flusslauf traf hier auf den Atlantik. Dreieinhalb Kilometer weiter umspülte er die kleine Insel Sequin, auf der der berühmteste und zweiälteste Leuchtturm an dieser zerklüfteten Küste stand.
Präsident George Washington persönlich hatte 200 Jahre zuvor den Auftrag für den Bau des dreieinhalb Kilometer vor der Küste gelegenen und 60 Meter hohen Leuchtturms gegeben. Trotz der herrlichen Aussicht konnte Mack Bedford ihn nicht sehen, noch nicht einmal an klaren Tagen. Aber wenn die Herbstnebel aufzogen und die Inlandsgewässer unter den milchig-weißen Schwaden verschwanden, war das mächtige Nebelhorn zu hören, das einsam dröhnend an die Posaunen der Basin Street erinnerte.
Er liebte diesen Ort. Und er liebte Anne und den Jungen. Was für ein grausames Schicksal, mit dem der Allmächtige ihn geschlagen hatte – erst wegen Mordes angeklagt und von den SEALs entlassen zu werden, und dann befürchten zu müssen, dass Tommy an seiner anscheinend unheilbaren Krankheit starb.
Trotzdem, es musste Hoffnung geben, und als Anne mit heißem Kaffee und der Morgenausgabe des Portland Express auf die Veranda kam, wurden seine finsteren Gedanken verscheucht, er lächelte sie an, zog sie zu sich auf den Schoß und küsste sie wieder. »Ich liebe dich, Mrs. Bedford.
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