Mission Clockwork: Angriff aus der Tiefe
jeder Hinsicht ein Gefangener auf der Ictíneo. Er konnte schließlich nicht einfach eine Luke öffnen und sich fröhlich auf und davon machen.
Modo spürte, dass sich etwas Speichel auf seiner Lippe sammelte. Ein Zeichen dafür, dass sein verwandeltes Gesicht allmählich ermüdete. Er blickte in den Spiegel. Seine Gesichtszüge schmolzen bereits wie Wachs.
Es klopfte an der Tür. Modo zuckte zusammen.
»Ja?«
»Ich bin es, Colette Brunet. Ich muss mit Ihnen sprechen, Mr Warkin.«
Zornig versuchte Modo, die Verwandlung noch aufzuhalten. Nein, ein Wutausbrauch war nicht hilfreich. Er trübte nur seinen Geist. Mr Socrates hatte ihm das tausendmal eingetrichtert. Also sammelte er sich und formte sein Gesicht abermals nach dem Vorbild des Ritters um.
»Mr Warkin?«
»Einen Augenblick, bitte.« Rasch begradigte Modo seine Augen. Eine Schweißperle rann über seine Wange. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und bemerkte erleichtert, dass sie noch nicht ausfielen. Er war zuversichtlich, die Verwandlung vielleicht noch weitere zwanzig Minuten aufrechterhalten zu können.
Schließlich öffnete er die Tür einen Spaltbreit, aber Colette drängte sich hastig in die Kabine und schloss die Tür hinter sich. Die Kammer wirkte mit einem Mal noch viel kleiner.
»Niemand hat gesehen, dass ich hierhergekommen bin«, erklärte sie. »Aber es gibt nicht viel Privatsphäre auf diesem Todesschiff.«
Modo wich vor ihr zurück und lehnte sich an die hintere Wand. Ihre dunklen, mandelförmigen Augen funkelten ihn an. »Verzeihen Sie mein Eindringen.«
»Nun, also, wie kann ich Ihnen dienen – ich meine, behilflich sein?«, erkundigte sich Modo.
»Indem Sie mir die Wahrheit sagen«, erwiderte sie.
»Die Wahrheit? Es schickt sich nicht, dass wir hier allein sind. Ich bin ein verheirateter Mann.«
»Lügner!« Colette stieß das mit solchem Nachdruck hervor, dass es sich für Modo wie eine Ohrfeige anfühlte.
»Nein, das bin ich!«, quäkte er mit sich überschlagender Stimme.
»Welche Augenfarbe hat Ihre Frau?«
»Die Augen sind … sind …« Er hielt inne und stellte sich Octavia vor. »Grün. Sie sind grün.«
»Hmmpf. Ich habe eine hervorragende Beobachtungsgabe, Mr Warkin. Der Ring an Ihrem Finger sitzt zu locker und er glänzt zu stark.«
»Wir haben gerade erst geheiratet. Ich hatte noch vor, ihn enger machen zu lassen.«
Sie packte Modo am Arm. »Hören Sie auf damit! Ihr ausweichendes Gerede bringt nichts.« Als sie die Hand zurückzog, schmerzte sein Arm. Ihre Kraft verblüffte ihn. »Ihr Schiff hat exakt an der Stelle geankert, an der wir Nachforschungen angestellt haben. Der Atlantik ist zu groß für derartige Zufälle.«
»Wir haben die See fotografiert. Das Licht dort ist perfekt und …«
Sie hob die Hand. »Nonsens! Hören Sie mit dem Theater auf, Mr Warkin – falls das überhaupt Ihr Name ist. Die Kapitänin mag blind sein für das, was sich vor ihrer Nase abspielt, ich aber nicht. Sie beobachten die anderen. Sie analysieren. Sie sind neugierig und forschen nach. Meine Vermutung lautet: Sie haben eine entsprechende Ausbildung erhalten. Die Frage ist nur, von wem?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
Diesmal griff Colette nach seiner Hand und hielt sie sanft fest, so als wären sie alte Freunde. »Bitte lügen Sie mich nicht an«, bat sie mit weicher Stimme. »Wir sind die einzigen zurechnungsfähigen Menschen an Bord und wenn wir Pech haben, sitzen wir hier den Rest unseres Lebens mit dieser Wahnsinnigen fest. Sagen Sie mir die Wahrheit.«
Modo holte tief Luft. Sie hatte nicht ganz unrecht. »Also schön«, setzte er an und löste seine verschwitzte Hand aus ihrem Griff, »Frankreich und England befinden sich ja wohl nicht im Krieg miteinander. Und in der Vergangenheit haben wir durchaus zusammengearbeitet. Der Krimkrieg ist nur ein Beispiel dafür.«
Colettes Lächeln war atemberaubend. »Ich wusste es! Ich wusste es! Die Briten haben Sie ausgebildet. Natürlich! Sie sind alle dermaßen hölzern.«
»Hölzern?«
»Die Briten sind keine natürlichen acteurs, wenn sie eine Rolle spielen. Ganz ehrlich, sie wirken immer wie in Totenstarre. Es muss irgendwas mit dem Nebel und der Kälte zu tun haben, dass Sie alle so steif sind.«
»Ich muss schon sagen, Sie beleidigen mich«, erwiderte Modo, doch er konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
Ihre dunklen Augen blitzten. »Wir müssen einen Pakt schließen, Mr Warkin.«
»Was für einen Pakt?«
»Darüber, dass wir gemeinsam
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