Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt
Wasser springen und zur afrikanischen Küste schwimmen.
Nein, nein. Der Revolver war in jedem Fall zu laut. Der Schuss würde womöglich sogar die Orchestermusik übertönen. Außerdem war ihm Schwimmen zuwider.
Vielleicht könnte er die Falken einsetzen? Aber er war sich nicht sicher, ob sie richtig aufgezogen waren. Ein mit Kontaktgift präpariertes Messer wäre die Lösung, allerdings hatte er kein Gift vorbereitet – und was würde er mit der Leiche tun? Er warf einen Blick über die Schulter auf das Bullauge. Es war viel zu klein für den Körper. Die Kabine war überhaupt ein denkbar ungeeigneter Ort für einen Mord. Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, ihn lautlos zu töten und später in der Nacht über Bord zu werfen, überlegte Visser. Er trug stets eine Garrotte in der Tasche und hatte sie schon viele Male benutzt.
Warum kauerst du hier am Boden wie ein kleines Kind? , schimpfte er mit sich selbst. Warum packst du das Problem nicht bei der Wurzel? Er ging zum Bett und legte seinen Revolver unter das Kopfkissen. Dann zog er seine Jacke aus und rollte die Ärmel seines Hemds hoch, in der Hoffnung, dass er so amerikanischer wirkte. Anschließend öffnete er die Tür und gab sich gespielt überrascht beim Anblick des Agenten.
»Na, so was, guten Abend, Sir.«
»Gu-guten Abend«, erwiderte der junge Mann. Er richtete sich auf, so als hätte er eben noch am Schlüsselloch gelauscht. »Ich war gerade dabei, etwas frische Luft zu schnappen, und bin hier stehen geblieben, um die Aussicht zu bewundern. Ich muss schon sagen, es ist eine herrliche Nacht für einen Ball.«
»Ja, da gebe ich Ihnen recht«, stimmte Visser zu. Der Agent war größer und breitschultriger als er selbst. Egal. Die Garrotte würde trotzdem ihren Zweck erfüllen, sofern es ihm gelang, sich günstig hinter dem Mann zu positionieren. Er hatte damit schon Kerle erledigt, die doppelt so groß waren wie er. »Offen gestanden wurde mir aber etwas langweilig. Ich habe nicht viel übrig für Walzer.«
»Mir geht es leider genauso. Sind Sie Amerikaner?«, erkundigte sich der Mann. »Sie haben einen Akzent.«
»Schuldig im Sinne der Anklage«, erwiderte Visser und suchte im Gesicht seines Gegenübers nach Anzeichen für eine Verwandlung – nach Dehnungsstreifen, Falten – nach irgendetwas, was ihm verraten würde, dass es sich um Modo handelte. Aber er wirkte völlig normal, ja sogar attraktiv. »Meine Familie ist nach Amerika ausgewandert, als ich noch ein Junge war.«
»Ein wunderbares Land.«
»Allerdings.« Visser wusste nicht mehr, wie viele ähnlich alberne Unterhaltungen er in seinem Leben schon mit feindlichen Agenten geführt hatte. Als Nächstes würden sie über Cricketergebnisse plaudern.
Der junge Mann streckte die Hand aus. »Ich glaube, wir wurden uns noch nicht offiziell vorgestellt. Mein Name ist Anthony Reid.«
»Howdy, Anthony. Ich bin Albert Carpenter.« Hatte er es mit dem »Howdy« etwas übertrieben? Der junge Mann zeigte keine Reaktion.
Sie gaben sich die Hand. Der Agent hatte einen kräftigen Händedruck, stellte Visser fest.
»Carpenter, ja? Täusche ich mich oder höre ich da auch eine Spur Holländisch aus Ihrem Tonfall heraus?«
Visser war verblüfft. Er hatte geglaubt, diesen Akzent völlig ausgemerzt zu haben. »Ein gutes Gehör, mein Freund! Ich habe tatsächlich noch einen winzigen Akzent«, antwortete er. »Ein Überbleibsel meiner Kindheit. Mein Vater hieß mit Nachnamen Kistemaker. Ein ziemlicher Zungenbrecher für die Amerikaner, ha! Das bedeutet ›Möbelmacher‹. Er war der Meinung, wir würden uns besser in der Nachbarschaft einfügen, wenn wir die amerikanische Entsprechung als Nachname annehmen.« Es war immer gut, eine Geschichte auf Lager zu haben. Visser hatte den Namen Carpenter schon öfter benutzt.
»Ein kluger Vater. Darf ich Sie fragen, wo Sie sich diese Narben zugezogen haben?«
»Narben?«, fragte Visser.
»Ja. Da, auf Ihrem linken Unterarm. Verzeihen Sie, dass ich so direkt frage. Aber ich bin Arzt, und solche Dinge interessieren mich. Diese Narbenstruktur kann ich nicht zuordnen.«
Dem Mann entging wirklich nichts! Visser blickte flüchtig auf seinen Unterarm, manche der Narben waren noch frisch und rosa, andere älter und weiß. Die meisten hatte er sich beim Training mit den Falken zugezogen. Die Vögel waren nicht immer so rücksichtsvoll, auf dem Lederhandschuh zu landen.
»Dazu gibt es eine verdammt gute Geschichte zu erzählen, mein Freund.« Er hielt inne
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