Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mission Clockwork

Mission Clockwork

Titel: Mission Clockwork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Slade
Vom Netzwerk:
Tinte, weshalb sie das Geschriebene zweimal nachziehen musste. Sobald die Notiz getrocknet war, steckte sie den Zettel in ihr Täschchen und verließ mit ihrem Regenschirm das Zimmer. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl hinunter in die Empfangshalle und ließ vom Portier eine Hansom-Droschke rufen. Wenig später half ihr der Kutscher die Trittstufen zu ihrem Sitz hinauf. Als sie ihm die Adresse nannte, runzelte er die breite Stirn.
    Â»Seven Dials im West End? Sind Sie sicher?«, vergewisserte er sich.
    Â»Ich bin mir immer sicher«, entgegnete sie etwas überheblich.
    Der Droschkenfahrer schüttelte den Kopf. Dann ruckelte und schwankte der Hansom, als er hinter ihr auf den Kutschbock kletterte und mit den Zügeln schnalzte. Das Pferd trabte die granitgepflasterte Straße hinunter.
    Octavia grinste. Sie wusste, dass ein selbstbewusstes Auftreten und eine glanzvolle Garderobe Männer aus der Unterschicht einschüchterten. Der Fahrer hielt sie wahrscheinlich für zwanzig, vielleicht sogar für fünfundzwanzig. Sie selbst schätzte, dass ihr wahres Alter fünfzehn Jahre sein musste. Im Waisenhaus hatte niemand ihr Geburtsdatum notiert und so würde sie es nie mit Bestimmtheit wissen.
    Sie war die Anweisungen in dem Brief mehrmals durchgegangen und hatte sowohl eine neue Rolle als auch einen Plan entwickelt. Die Schauspielerei war ihr schon immer leichtgefallen. In ihrer Kindheit war sie nur selten gern sie selbst gewesen und hatte lieber andere Personen erfunden.
    Es war noch hell, als sie durch das Viertel Seven Dials fuhren – eine üble Gegend und Octavia kannte sie nur allzu gut. Sieben Straßen trafen in einem Knotenpunkt aufeinander und in der Mitte stand eine Sonnenuhr. Sie hatte hier in den Schnapskneipen und Pubs gegessen und getrunken. In einem Keller in der Nähe hatte sie sich vor Picklenose, einem besonders unangenehmen Polizisten, versteckt. Jedes der zerlumpten Kinder, die ihre schmutzigen Hände an die Schaufenster mit Kleidern aus dritter Hand pressten, hätte sie selbst vor einigen Jahren sein können. Sogar die Sonnenuhr weckte Erinnerungen in Octavia: Dort hatte sie zum ersten Mal einen Jungen geküsst, einen jungen Gentleman. Sie hatte ihm an jenem Tag die Uhr und die lederne Brieftasche gestohlen. Eine gute Ausbeute.
    Neben ihr schnaubten zwei Pferde, die einen Omnibus vorüberzogen. Beamte mit Melonen glotzten aus den Fenstern. Darunter prangte eine Reklame für Oakey’s Messerpolitur. Der Omnibus kollidierte fast mit dem Fuhrwerk eines Abdeckers. Octavia fragte sich, welcher Geisteskranke eine solche Straßenkreuzung geplant hatte. Grobschlächtige Kerle rannten vor der Droschke über die Straße, ohne auf die Gefahr zu achten, die von den Pferdehufen ausging. Octavia wies dem Kutscher den Weg zu einem nahe gelegenen Pub.
    Â»Bitte beeilen Sie sich und erledigen Sie Ihre Angelegenheiten rasch, Madam«, bat der Fahrer. »Die Gegend hier ist nicht sicher.«
    Sie gab ihm drei Pence. »Das wird Sie beruhigen.« Er hüstelte leicht in die vorgehaltene behandschuhte Hand und Octavia ließ noch ein paar Münzen in seine geöffnete Hand fallen.
    Beim Betreten des Red Boar schlug ihr eine Wolke aus verbranntem Brot, Bierdunst und dichtem Rauch entgegen und sie rümpfte angewidert die Nase. Eine große Öllampe diente in dem Pub als Beleuchtung. Drei Gäste, die bereits sternhagelvoll waren, hingen an einem der Tische. Einer hob seine rot geränderten Augenlider und warf ihr einen Blick zu. Sie erklärte dem beleibten Wirt ihr Anliegen und schenkte ihm ihr freundlichstes Lächeln.
    Â»Aha, Sie möchten also zu Mr W, ja?«, brummte der Wirt. »Sein Zimmer liegt die Treppe hoch. Oppie, zeig unserem Gast den Weg.«
    Octavia dachte, der Wirt würde ins Leere sprechen, bis sie bemerkte, dass sich ein Lumpenbündel hinter der Theke bewegte. Ein spindeldürrer Junge mit schmutzigem Gesicht rieb sich die Augen, gähnte und stand auf.
    Â»Mach schon!«, blaffte der Wirt ihn an.
    Â»Hier lang, Missis«, sagte der Junge und führte sie zu einer Tür und dann eine knarzende Treppe hinauf.
    Â»Machen Se Geschäfte mit Mr W?«, wollte er wissen.
    Sie schätzte ihn auf höchstens acht Jahre. Das einzig saubere Stück an ihm war ein geradezu elegantes rotes Halstuch, das er um den Kragen gebunden hatte.
    Â»Ja. Obwohl ich zugeben muss, dass ich ihm nie begegnet bin. Wie ist er

Weitere Kostenlose Bücher