Mission Clockwork
so?«
»Ich bring ihm dreimal am Tag sein Essen, wenn ich nichâ gerade für Mr Berks in der Küche sauber machen tu. Manchmal erzählt er mir Geschichten, der Mr W. Liest sie mir aus ânem Buch vor.«
»Er lässt dich also in sein Zimmer?«
»Nee. Gesehen hab ich ihn noch nie nichâ. Er liest mir durch die Tür vor. Isâ einer von der klugen Sorte â Meisterdetektiv isâ er. Der findet alles und jeden, was vermisst wird, einhundert Prozent garantiert. Der kann viel mehr als die ganzen Kasper von Scotland Yard.«
»Wie viel bezahlt er dir dafür, dass du das sagst?«, fragte Octavia freundlich.
»Gnädige Frau! Bei Gott, das isâ die reine Wahrheit, ich erzähl nur, was ich Leute auf der StraÃe sagen hör. Er isân wirklich guter Mann. Und ich kann später vielleicht mal sein Lehrling werden, sagt er. Oppie Wilkers, Detektiv. Klingt gut, was? Und groÃzügig isâ er auch. Das Halstuch hat er mir geschenkt, als ich gesagt hab, dass ich Geburtstag hab.«
»Und war es dein Geburtstag?«
»Natürlich, Miss. Natürlich!«
Octavia nickte. Der Junge log. Sie hatte selbst bei mehreren Gelegenheiten ihr Geburtsdatum geändert, um arglosen Jungen Geschenke abzuschwatzen. Der Bursche war klug, redete aber zu viel. Dass Mr W nie die Tür öffnete, war eine interessante Information. Er musste ein sehr verschlossener Mensch sein.
Sie wurde durch ein enges Treppenhaus geführt, in das durch ein kleines, zerbrochenes Fenster ein wenig Licht fiel.
»Hier wohnt Mr W. Isâ das beste Zimmer. Und das einzige hier oben.« Er deutete auf eine Tür. »Da stell ich sein Essen für ihn hin. Er hat âne Schwäche für Hähnchen.« Auf dem Boden stand ein Teller voll mit Knochen. Oppie nahm ihn. »Was brauchen Se sonst noch, Missis?«
»Das ist alles.« Sie drückte ihm zwei Pence in die Hand und er grinste sie mit einem fast zahnlosen Mund an.
»Ich warte dann unten, bis Se mich rufen«, sagte er noch, während er die Treppe hinuntersprang.
Octavia stand vor Mr Ws Tür und bemerkte den Löwen, der in das Holz geschnitzt war. Sie dachte einen Moment lang darüber nach, was für vornehme Gäste hier wohl einst abgestiegen waren.
Sie klopfte und wartete, doch niemand antwortete, was sie ins Grübeln brachte. In dem Brief hatte nicht gestanden, was sie tun sollte, falls die Kontaktperson nicht erreichbar war. Vielleicht sollte sie eine Nachricht hinterlassen? SchlieÃlich, als sie gerade im Begriff war, Oppie zu rufen, hörte sie die Dielenbretter knarren.
»Ja?«, fragte eine tiefe männliche Stimme hinter der Tür.
»Ich komme wegen Ihrer Anzeige. Ich benötige Ihre Hilfe, um etwas ausfindig zu machen.«
Einige Sekunden verstrichen. »Um welche Art von Nachforschung handelt es sich?«
Octavia hatte den Eindruck, dass er seine Stimme verstellte. Die Tonlage schwankte ab und zu.
»Um eine sehr wichtige. Kann ich eintreten, Mr ⦠Mr �«
»Mr Wellington.«
»Wellington? Tatsächlich?«
»Ja. Aber selbstverständlich nicht der Duke of Wellington. Und nein, Sie können nicht eintreten. Meine Auftraggeber bekommen mich nie zu Gesicht.«
»Wie soll ich dann wissen, ob ich Ihnen vertrauen kann?«
»Trauen Sie nie Ihren Augen, das ist meine Devise. Jedenfalls kann ich mich in und auÃerhalb von London frei bewegen, ohne erkannt zu werden, wenn ich anonym bleibe. Falls Sie dieser Bedingung nicht zustimmen können, steht es Ihnen frei, wieder zu gehen. Aber Sie sollten wissen, dass ich sehr viele zufriedene Kunden habe.«
Er sprach mit einem leichten Akzent, den sie nicht einordnen konnte. Sein Tonfall war nüchtern und jedes Wort mit Bedacht gewählt.
Ein aufblitzender Schimmer an der Tür erregte ihre Aufmerksamkeit. Jetzt sah sie, dass in das Auge des geschnitzten Löwen ein winziges Guckloch gebohrt worden war. »Mr Wellington, beobachten Sie mich?«, fragte sie halb belustigt, halb verärgert.
Ein dumpfes Geräusch ertönte hinter der Tür. »Seien Sie nicht albern. Ich kann nicht durch Türen sehen.«
Da sie nur zu gut wusste, dass er sie sehen konnte, verkniff sie sich ein Lächeln.
»Nun, dann, ich schätze, wenn das Ihre Bedingung ist, habe ich wohl keine andere Wahl, als sie zu akzeptieren. Und da dieser Auftrag von höchster Wichtigkeit ist, müssen Sie
Weitere Kostenlose Bücher