Mission Clockwork

noch heute mit der Arbeit beginnen.«
    Â»Heute? Ich bin ziemlich beschäftigt, wie Sie sich vorstellen können, aber nun ja … Wonach soll ich für Sie suchen?«
    Â»Es muss zweifelsohne befremdend für Sie klingen, aber verstehen Sie, die Sache, die ich verloren habe, ist … mein Bruder.« Die Dielenbretter hinter der Tür knarrten und sie vermutete, dass er sich gerade am Kopf kratzte.
    Â»Ihr Bruder?«
    Â»Ja. Mein geliebter Bruder.«
    Â»Hat er das Land verlassen? Ist er ein Spieler?«
    Â»Verzeihen Sie. Ich habe mich nicht klar ausgedrückt. Mein Bruder ist nicht direkt verschwunden. Ich sehe ihn jeden Tag. Aber es ist so, dass er … nachts …«
    Sie hob die Hand zur Stirn, als wäre sie im Begriff, ohnmächtig zu werden. Die Tür ruckelte ein wenig in den Angeln.
    Â»Nachts verschwindet er«, flüsterte sie. »Er ist ein Mitglied der Londoner Gesellschaft junger Forscher. Er sagt, er gehe nur zu den Treffen, aber manchmal, wenn er zurückkehrt, wirkt er wirr und … Mr Wellington?«
    Â»Ja?«
    Â»Einmal habe ich Blut an seiner Kleidung entdeckt.«
    Â»Sein eigenes Blut?«
    Â»Er behauptete, er habe Nasenbluten bekommen, aber ich mache mir Sorgen. Er ist … wie soll ich sagen … nicht er selbst. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, ich habe ihn verloren.« Octavia zog ein Spitzentaschentuch aus ihrem Ärmel. Die Ecke zierte ein Monogramm, ein großes L. Sie tupfte sich leicht die Augen ab.
    Â»Na, na. Bitte weinen Sie nicht. Ich werde mein Bestes tun, um herauszufinden, warum Ihr Bruder in Schwierigkeiten ist.«
    Â»Sie übernehmen also den Fall?«, vergewisserte sich Octavia atemlos.
    Â»Ja, aber zunächst habe ich noch eine wichtige Frage. Wie ist Ihr Name?«
    Â»Audrette Featherstone«, antwortete sie mit einem Schniefen.
    Â»Nun, Miss Featherstone, seien Sie so gut und erzählen Sie mir weitere Einzelheiten über Ihren Bruder. Beschreiben Sie mir erst einmal sein Äußeres, dann benötige ich eine Aufstellung seiner Gewohnheiten und der Beschäftigungen, denen er tagsüber nachgeht. Ach, und natürlich seine Adresse.«
    Â»Ich habe seine Adresse hier.« Sie bückte sich und schob den vorbereiteten Zettel unter der Tür durch. Sie bekam flüchtig einen behandschuhten Finger zu sehen, als Mr Wellington auf der anderen Seite rasch das Papier schnappte. Sie hörte, wie er sich räusperte.
    Â»Gut. Nun gut. Gestatten Sie mir, dass ich kurz mein Notizbuch hole.«
    Octavia lächelte. Sie hatte ihre Mission erfüllt. Ihr Auftraggeber würde zufrieden sein.

 
7
    Â 
    Verfolgungsjagd über die Dächer
    Â 
    K alte, feuchte Nebelschwaden hingen über den Dächern von London und es nieselte leicht auf Modos Rücken. Seine großen, nassen Hände hielten eine Dachkante umklammert und er blickte, ohne kaum einmal zu blinzeln, auf die Stadt hinunter wie einer jener dämonenhaften steinernen Wasserspeier. Tropfen sammelten sich auf seiner breiten Stirn und rannen über sein Gesicht, tropften von seiner krummen Nase herab. Tharpa hatte ihm beigebracht, wie man vollkommen reglos verharrte und sogar den Herzschlag verlangsamte.
    Die Maske, die an seinem Gürtel hing, war schwarz, seine Nachtmaske. Er setzte sie nur auf, wenn es sein musste, denn beim Springen von Dach zu Dach verrutschte sie manchmal und verdeckte ihm dann die Augen. In einer Nacht hatte er sich deshalb beinahe den Schädel an einem Querbalken zertrümmert und eine wertvolle Lektion gelernt.
    Direkt unter ihm warfen die flackernden Gaslaternen seltsame Schatten auf einen Hof. Eine Gestalt im Gehrock erschien am hinteren Ende des Hofs und überquerte ihn in seine Richtung. Als die Gestalt näher kam, zeichnete sich das blasse Gesicht deutlich ab. Ein dünnes Lächeln huschte über Modos Gesicht. Er hatte Oscar Featherstone seit über einer Stunde verfolgt, von seinem Zuhause in Highgate bis zu den schicken Läden und Reihenhäusern in Marylebone, wo er jetzt auf diesem Dach ausharrte. Als Oscar in Highgate eine Droschke genommen hatte, war Modo gezwungen gewesen, von Dach zu Dach zu springen, um dem jungen Mann auf den Fersen zu bleiben, und er war schrecklich ins Schwitzen gekommen.
    Jetzt ging Oscar unter ihm vorüber und durch einen Torbogen hindurch. Modo blieb noch kurz wie versteinert sitzen, dann kletterte er über die Dachschindeln.