Mission Erfolg - Meine Vision mein Plan mein Weg
bis jeder vor Aggressivität zu platzen drohte. Inklusive mir selbst.
Vor Spielbeginn stand ich unter Hochspannung und lieferte mir mit Bayreuths Trainer Lester Habegger einen Trash-Talk der Extraklasse. Eigentlich ist das Beschimpfen und Provozieren des gegnerischen Trainers äußerst unüblich im Basketball. Eigentlich begegnet man sich mit großem Respekt. Aber Habegger und ich mochten uns nicht. Er, der alte Mann, der kurz davor war, die Basketballbühne zu verlassen, konnte mich, den Neuling, der nach ihm gebissen hat, aufs Blut nicht ausstehen. »Lauf nicht rum und tue so, als wärst du Pat Riley«, provozierte er mich. Er meinte, ich führe mich auf wie einer der erfolgreichsten Trainer der NBA-Geschichte, der in die Hall of Fame des Basketballs aufgenommen wurde. Was für ein Blödsinn! Wie mich dieser Habegger nervte. »Zieh dich anders an und mach dir mal eine andere Frisur«, rief ich zurück. »Du siehst aus wie eine alte Frau.« Ich wollte diesen Mann so sehr besiegen, dass ich in meinem jugendlichen Leichtsinn sogar zu Otto sagte: »Für dieses Spiel würde ich ein Ei opfern.«
Mit drei Punkten Vorsprung gewannen wir in Bayreuth. Mein Ei blieb zum Glück dran. Und auch im vierten Spiel gingen wir als Sieger vom Feld und waren somit Meister. Unglaublich! Als Letzter kletterte ich auf die Leiter, die unter unserem Korb stand. Zuvor hatte jeder Spieler bereits mit einer Schere einen Schnitt gemacht. Nun war ich an der Reihe, um das Netz ganz abzuschneiden. Gerade mal 32 Jahre war ich alt – und hatte die Meisterschaft und wenig später auch den Pokalsieg in der Tasche.
Otto spendierte jedem von uns eine Uhr. Eigentlich bin ich kein Freund von Glücksbringern. Ich schneide auch nicht jeden Zeitungsartikel über mich aus oder sammele großartig Andenken oder Pokale. Es entspricht auch nicht meinem Selbstverständnis, die Urkunden, die ich als Trainer des Jahres bekam, aufzuhängen. Aber einige Dinge sind für mich von besonderer Bedeutung. Die Uhr, weil sie für den Gewinn des ersten Titels steht. Und wichtig ist mir auch der Meistergürtel, den es ein Jahr später für den erneuten Titel gab. Schwarzes Leder, schlicht, mit einer Gravur in der Schnalle: »Bayer Leverkusen, Deutscher Meister 1991«. Den Gürtel trage ich bei ganz entscheidenden Spielen. So hatte ich ihn im entscheidenden Qualifikationsspiel für die Olympischen Spiele gegen Puerto Rico im Juni 2008 um. Oder im EM-Endspiel 2005 in Griechenland. Auch das Netz von der ersten Meisterschaft habe ich behalten – es hängt eingerahmt hinter Glas in meinem Büro im Audi-Dome. Das Wichtige habe ich also noch. Für eine große Sammlung bin ich aber, wie gesagt, nicht geboren. Dazu bin ich viel zu unordentlich. Ich habe es selbst geschafft, meinen Meisterschaftsring, den wir für den dritten Titel bekommen haben, zu verlieren. Ich habe keine Ahnung, wie mir das passieren konnte, aber er ist weg. Immerhin besitze ich noch die Jacke, die es als Geschenk für die Meisterschaft 1994/95 gab. In diesem Jahr ist ja auch Borussia Dortmund Fußballmeister geworden und so hat Sponsor Nike für beide Mannschaften extra eine Meister-Jacke produziert, die es nie zu kaufen gab.
Die Freude über die ersten Titel hielt aber nicht lange. Der bereits erwähnte Zeitungsartikel (»Auch Eintagsfliegen haben eine Existenzberechtigung«) machte mir wirklich zu schaffen. Ich kam mir vor wie beim Monopolyspielen. Man würfelt, kauft, nähert sich immer weiter der Schlossallee an – und plötzlich zieht man die Ereigniskarte: »Gehe in das Gefängnis. Begib dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht DM 4000 ein.« Das ist nur unfair. Denn du hast schon etwas geleistet und musst nun wieder von vorne anfangen, als ob du noch nichts vollbracht hättest. Wegen der fehlenden Anerkennung und des mangelnden Respekts vor meiner Leistung schlief ich schlecht. Mir ging es nicht gut. Ich hatte Herzrhythmusstörungen.
Ich erinnere mich noch ganz genau. Als meine Mutter starb und ich ihr Haus ausräumen musste, habe ich einen Ordner mit alten Zeitungsartikeln gefunden. Da war auch ein Interview mit einem sehr frechen Kölner Journalisten dabei, der mir in meiner ersten Saison auf den Zahn gefühlt hat. »Warum sollte ein so junger und unerfahrener Trainer wie Sie das Zeug haben, eine Mannschaft zur Meisterschaft zu führen?«, fragte er oder behauptete: »Das ist hier doch nur ein kurzzeitiges Experiment, dann haben alle erkannt, dass Sie noch nicht so weit sind.« Unter
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