Mission Erfolg - Meine Vision mein Plan mein Weg
Krücke mit an die Hand geben, damit ich laufen lerne.« Und ich sagte Otto klipp und klar: »Ich will das Risiko tragen.« Er nickte, reichte mir die Hand und stimmte zu – vorausgesetzt, Rudolf Casper, der Abteilungsleiter von Bayer, würde ebenfalls einverstanden sein. Er war es. Und so unterzeichnete ich am 24. April 1989 meinen ersten Vertrag als Cheftrainer. 7200 DM brutto pro Monat. Laufzeit: zwei Jahre. Eine Meisterprämie oder sonstige Extras hatten wir nicht verhandelt.
Plötzlich war ich, eigentlich noch ein Nobody im Trainergeschäft, Cheftrainer von Bayer Leverkusen. Ich habe Otto bis heute nicht gefragt, warum er letztlich seine Bedenken beiseitegeschoben und sich zu dieser Entscheidung durchgerungen hat. Ich habe es einfach hingenommen und mich gefreut, dass er so ein Trainertalent in mir gesehen hat. Sein großes Vertrauen in mich hat mich noch stärker gemacht.
In den Mittagspausen haben wir oft gegeneinander Basketball gespielt. Eins gegen eins. Sechs von zehn Spielen hat Otto gewonnen. Manchmal sind wir auch zusammen joggen gegangen. Ständig haben wir dabei über Basketball diskutiert. Ein anderes Thema gab es für uns nicht. Wir waren wie besessen. Ich kann gar nicht sagen, wer von uns süchtiger nach Basketball war. Wahrscheinlich waren wir beide gleich verrückt. Otto ist ein sehr polemischer Mensch, jemand, der hohe moralische Standards hat und sie konsequent lebt. Er reflektiert Dinge stark und hatte höchste Ansprüche nicht nur an sich, sondern auch an seine Mitstreiter. Auf jeden Fall waren wir, was unser Ziel anging, geeint: Wir wollten beide diese Leverkusener Mannschaft an die Spitze führen. Und irgendwie machten wir verdammt viel richtig.
Nur weil ich fortan Cheftrainer war, fing ich nicht an, irgendwelche irren taktischen Systeme einzustudieren. Ich konzentrierte mich auf das, was ich konnte. Ich setzte auf eine Verteidigung, von der ich wusste, wie ich sie zu erklären und trainieren hatte. Ich hatte Ron Adams so viele Wohnzimmerstühle und Salzstreuer rücken gesehen und zwei Jahre für ihn gearbeitet, dass es mir in Fleisch und Blut übergegangen war. Jetzt war ich derjenige, der rückte und verschob – nur eben keine Salzstreuer, sondern echte Bundesligaprofis. Ich habe nie versucht, meine Spieler durch Sperenzien und außergewöhnlich schwierige Dinge zu beeindrucken. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, mich zu überfordern und mich so auf dünnes Eis zu begeben. Ich habe schlicht und einfach mein Ding gemacht. Und ich habe meine Jungs spüren lassen, dass ich gewillt war, mit ihrer Hilfe Großes zu erreichen. Deshalb hat es von Anfang an funktioniert. Meine Spieler haben gemerkt, dass ich euphorisch bin, ihnen vertraue und dass ich auch gut bin. Ich habe keinen Klugscheißer gespielt, der die Welt neu erfinden wollte. So haben wir uns gegenseitig geholfen. Bis wir im Finale um die Deutsche Meisterschaft gegen Bayreuth standen. So weit war Bayer auch schon im Jahr zuvor unter meinem Vorgänger Jim Kelly gekommen. Doch nach einer 2:0-Führung ging die Meisterschaft für Bayer doch noch verloren. Nun musste endlich der Titel her.
Nach einem Sieg im ersten Spiel in Bayreuth versagten wir zu Hause und wurden vor unseren Fans völlig auseinandergenommen. Lester Habegger, damals schon über 70, hatte seine Spieler so heiß gemacht, dass sie uns vernichtet hatten. Doch davon merkte man meinen Jungs wenig an. Gunther Behnke war wie oft vor Auswärtsspielen in die Videothek gestiefelt und hatte einen Spielfilm für die Busfahrt zum Spiel nach Bayreuth besorgt. Während ich grübelnd in meiner Reihe saß und nachdachte, wie man es den verdammten Bayreuthern diesmal zeigen könne, hörte ich plötzlich ein Lachen von hinten. Ein herzhaftes, munteres, unbedachtes Lachen über einen beschissenen Witz aus dem Film. Sofort sprang ich auf, riss die Kassette aus dem Videorekorder und feuerte sie Richtung Gunther Behnke. »Habt ihr sie eigentlich noch alle? Was glaubt ihr eigentlich, was wir hier machen? Eine Kaffeefahrt? Wir sind gedemütigt worden. Wir wurden vorgeführt. Bayreuth will uns die Meisterschaft entreißen. Und ihr lacht.«
Vier Stunden spielte ich ihnen dann den Mitschnitt der letzten Demütigung vor. Immer und immer wieder mussten sie sich anschauen, wie Bayreuths Center Hansi Gnad uns umgehauen hatte. Mithilfe der Rückspultaste ließ ich sie doppelt und dreifach leiden, zeigte ihnen, wie Bayreuth einen Korb nach dem nächsten versenkt hatte. Ich quälte sie so lange,
Weitere Kostenlose Bücher