Mission Eureka
sein.
Als
Altenburg die Tür zur Intensivstation aufstieÃ, spürte er sofort die
Erregung, die im Raum herrschte. Aber sein erster Gedanke galt Claudia,
die seiner Meinung nach elend aussah. Lange würde sie das nicht mehr
durchhalten. Sie sah bald älter aus als ihre Mutter. Wie gewöhnlich
lief ihr Kassettenrecorder, und er hörte sie aufgeregt rufen: »Da! Hast
du das gehört, Mama? Hast du das gehört? Er hat gesungen! Er kann mich
hören!«
Die unverbesserliche Optimistin.
»Peter!« rief sie mit leiser, aber eindringlicher Stimme. »Ich bin's,
Claudia! Tu's noch mal, bitte!«
Marianne stand mit dem
Rücken zur Tür, als Altenburg hereinkam. Sie wandte sich um, als er
fragte, was los sei, aber Claudia kam ihrer Mutter zuvor. »O Papa, er
hat gerade Laute von sich gegeben. Er hat gesungen!«
Sie
hatte sich schon so oft zu früh gefreut. Altenburg schaute Marianne an.
Sie nickte. »Er hat bei einem Stück von den Beatles mitgesungen«, sagte
sie. »Zwar nur ganz kurz, aber immerhin. Kein Irrtum!«
»Aber das ist ja ⦠das ist ja groÃartig!« rief Altenburg erfreut aus.
Claudia
hatte sich jetzt wieder der nach wie vor regungslos auf dem Bett
liegenden Gestalt zugewandt. »Peter, hör genau zu«, redete sie erneut
auf ihn ein. »Das Stück, das jetzt kommt, du erkennst es wieder!« Sie
spulte die Kassette vor, drückte auf die Play-Taste, und die
Anfangstakte von âºWhen I'm 64â¹ waren zu hören. Von Peter kam keine
Reaktion, aber das schien Claudias Optimismus keinen Abbruch zu tun. Er
hatte gesungen. Er konnte sie hören. Er fand langsam wieder zurück.
Altenburg schaute ihr einen Moment zu, dann sagte er im Flüsterton zu
Marianne: »Wie ich höre, stehen die Panzer deines Anwalts schon in
meinem Vorgarten.« Sein Anwalt hatte ihn kurz zuvor angerufen; das war
der Grund, warum er sein Büro verlassen hatte.
»Ja, es stimmt«, bestätigte Marianne. »Ich habe die Scheidung in die Wege geleitet.«
»Glaubst du wirklich, daà dies der geeignete Zeitpunkt â¦Â« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Claudia.
»Für Dinge, die weh tun, gibt es nie den richtigen Moment, Thomas.«
»Da hast du recht.«
Nach einem Moment nachdenklichen Schweigens sagte sie: »Morgen ist also der groÃe Tag?«
»Ja.«
»Hals-
und Beinbruch, Thomas.« Dieselben Worte hatte sie gesagt, als er
seinerzeit seine Doktorarbeit eingereicht hatte. Und sie hatte sie
später, in kritischen Momenten seiner Karriere, noch oft wiederholt.
Jetzt klangen sie wie ein Lebewohl.
Er
hatte wieder in dem Bett geschlafen, das er sich in sein Büro hatte
stellen lassen. Irgendwann in der Nacht war er einmal aufgewacht und
hatte im ersten Moment geglaubt, er sei bei sich zu Hause. Doch er
hatte sich schnell erinnert. Zu Hause, das gab es jetzt nicht mehr. Im
Moment war nur noch Marianne zu Hause. Er war in seinem Büro, Claudia
wachte an Peters Bett im Krankenhaus. Claudia ⦠Er hatte von ihr
geträumt in dieser Nacht, von früheren, glücklicheren Tagen, als sie
noch ein Kind gewesen war. Sie waren zusammen Boot gefahren, auf dem
See, und die Arme hatten ihm weh getan vom Rudern. Beim Aufwachen hatte
er gemerkt, daà der Schmerz echt war. Er hatte unruhig und verdreht
geschlafen. Er hatte einen steifen Nacken. Nicht gerade die beste
Vorbereitung für einen Mann, der für einen Raketenstart verantwortlich
war. Aber der Tag verging schnell; es gab so vieles zu tun, so viele
Dinge, um die er sich kümmern muÃte. Seine Checkliste sah wie ein
Einkaufszettel für den Supermarkt aus. Sie schien endlos lang zu sein;
aber diesmal war die Spannung, die wie stets vor einem Start über dem
groÃen Raum hing, von Hoffnung und Optimismus überlagert. Diesmal
hatten sie alles richtig gemacht.
Gibbs saà auf
Hurlers Platz und leitete den Countdown. Durch die Trennscheibe konnte
Altenburg Swann und Mädler sehen. Er drückte auf die Taste seines
Intercoms, und Swanns Stimme quäkte aus dem Lautsprecher. »Alles okay;
alle Systeme klar.«
»Sechs«, sagte Gibbs.
»Fünf â¦Â«
»Vier â¦Â«
Schweià stand auf Altenburgs Stirn. Sein Finger schwebte über dem Emergency-Knopf.
»Zwei â¦Â«
»Eins â¦Â«
»Z ÃNDUNG !«
Langsam
hob der riesige Flugkörper von der Startrampe ab, eingehüllt in eine
gewaltige Wolke aus
Weitere Kostenlose Bücher