Mission Eureka
irgendwann.
Oder das Schiff wird von der Schwerkraft der Sonne angezogen und
verglüht.«
Eine schreckliche Vorstellung. Aber sie
hatte bloà einen von der Besatzung kennengelernt, und den hatte sie als
kalt wie ein Fisch empfunden; der Gedanke ging ihr daher nicht allzu
nahe. Es war schwer, Mitleid mit Leuten zu empfinden, die man nicht
kannte.
»Sie würden es nicht mehr erleben«, fuhr er fort. »Jeder von ihnen hat eine kleine Pille.«
»GroÃer
Gott«, sagte sie und versuchte, sich vorzustellen, wie sie selbst sich
in einer solchen Situation fühlen würde. Es wäre eine so unwürdige Art
zu sterben.
»Was ich dir gerade erzählt habe, ist
streng geheim, Agnes«, sagte er. »Und das muà es auch bleiben.« Das
Muttersöhnchen klang jetzt wie ein Schulmeister, und sie ignorierte
ihn, bis sie zu Hause ankamen.
Ihre Wohnung war in der
Avenue Foch, in der obersten Etage, mit Blick auf den Triumphbogen. Sie
wohnten dort, seit sie verheiratet waren, und als sie jetzt mit ihm
durch die Tür trat, muÃte sie an ihre ersten Ehejahre denken, an die
Leidenschaft, mit der sie damals übereinander hergefallen waren, wenn
er von der Arbeit zurückgekommen war; sie waren damals so verrückt
aufeinander gewesen, daà sie es oft nicht einmal hatten abwarten
können, bis sie ausgezogen waren und im Bett lagen; sie hatten es
gleich in der Diele auf dem FuÃboden getrieben. Aber die Zeiten waren
lange vorbei. Jetzt ging sie statt dessen zur Hausbar und schenkte zwei
Gläser Scotch ein. Er blieb stehen und lehnte sich gegen die Wand. Er
sah plötzlich erschöpft aus.
»So«, sagte sie. »Und was könnt ihr jetzt für sie tun?«
»Versuchen, den Fehler zu finden ⦠und sie in die Umlaufbahn zurückholen.«
»Kannst
du das?« Das war eine grausame Frage. Laurent war kein Techniker; er
kannte sich nur mit Bilanzen aus. Er schüttelte den Kopf.
»Ich kann es nicht â nein.«
»Dann
hör auf, daran zu denken.« Das war die Antwort, der Grund, weshalb sie
diese Frage gestellt hatte. Wenn man eh nichts ändern konnte, dann
sollte man sich auch nicht den Kopf zerbrechen. Das sollten andere tun.
Aber Laurent schien anders darüber zu denken.
»Erinnerst
du dich, als Patrick Montgomery und seine Frau zum Essen hier waren?«
fragte er und reizte sie damit noch mehr. Was brachte ihm das, jetzt an
Montgomery zu denken? Er machte sich selbst fertig mit seinem Grübeln.
Sie muÃte ihn auf andere Gedanken bringen. Sie stieà die Karaffe gegen
die Holzumrandung der Hausbar und sah, wie er erschrocken
zusammenzuckte.
»Hör auf damit, Laurent!« fuhr sie ihn an. »Es ist nicht deine Schuld.«
Er nickte.
»Wird man Altenburg entlassen?« fragte sie.
»Möglich.«
Sie reichte ihm seinen Drink. »Darüber solltest du dir Gedanken machen.«
Sie
konnte förmlich sehen, wie es in seinem Hirn arbeitete. Doch dann
huschte der Anflug eines Lächelns über sein Gesicht. So war es schon
besser. Er begann wieder, positiv zu denken. Er war wieder auf dem
richtigen Gleis, und sie fragte sich, ob er es ohne sie so weit
gebracht hätte. Sie war die treibende Kraft in jeder Hinsicht.
Es
hätte ein angenehmer, entspannter Flug nach Süden werden sollen, mit
der erwartungsvollen Vorfreude auf das Wiedersehen, erfüllt von dem
angenehmen Gefühl, den Start von Magellan I erfolgreich über die Bühne
gebracht und damit gute Arbeit geleistet zu haben. Er hätte gutgelaunt
aus dem Fenster geschaut und sich ein paar Drinks kommen lassen.
Altenburg
schloà die Augen, als er an ihre letzten Worte dachte und an das, was
an jenem Abend in Rom zwischen ihnen geschehen war.
»Wann sehe ich dich wieder?« â »Am Mittwoch.« â »Wirst du dann bei mir bleiben? ⦠Bitte â¦Â«
Er
schlug die Augen wieder auf und schaute zu der Frau im Sitz neben ihm
hinüber. Sie las in einem Taschenbuch und trank einen Weinbrand. Er
beneidete sie um ihre Ruhe.
Am Morgen hatte er mit
Swann geredet. Swann hatte versucht, ihm seine Schuldgefühle
auszureden, hatte etwas von dem natürlichen Bedürfnis des Menschen
erzählt, seine Grenzen immer weiter zu stecken, und daà dies nun einmal
mit Risiken verbunden sei. Vor fünfhundert Jahren hätten sie versucht,
an Bord eines Schiffes einen Seeweg nach Indien oder die
Nordwestpassage zu finden. Das wäre
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