Mission Eureka
hatte. Am Tag darauf lag ein Flugticket im Briefkasten. Er
kannte Swann nur dem Namen nach. Er hatte ein paar von seinen
Veröffentlichungen gelesen, aber er war nicht vorbereitet gewesen auf
das atemberaubende Tempo, mit dem dieser hellwache, mit einem
messerscharfen Verstand ausgestattete Mann im Rollstuhl seine Fragen
auf ihn abgeschossen hatte. Zuerst war er fest überzeugt gewesen, daÃ
er mit Pauken und Trompeten durchgefallen war. Aber dann hatte Swann
gelächelt und ihn gefragt, wie viele Sommersprossen er habe. Der alte
Witz. Er wuÃte es. Er hatte es einmal zum Spaà ausgerechnet, und als er
es Swann sagte, hatte dieser gegrinst. Darauf plauderten sie fünf
Minuten lang miteinander über die Quadratwurzel von minus eins, fast
so, als wären sie Kollegen. Bei einem anschlieÃenden Spaziergang
erzählte ihm Swann von seinem vorherigen Assistenten, einem brillanten
Mann, der sich leider überarbeitet und einen Nervenzusammenbruch
erlitten habe.
Zwei Tage später klingelte das Telefon;
Swann bot ihm den Job an. Natürlich nahm er sofort an. Es war eine
Chance, wie sie einem nur einmal im Leben geboten wird. Er konnte sich
nicht verkneifen, zu fragen, wieso die Wahl gerade auf ihn gefallen
sei. Er hoffte natürlich, daà nicht die Tatsache, daà er aus München
stammte, den Ausschlag gegeben hatte, sondern die Tatsache, daà er sein
Examen als Jahrgangsbester absolviert hatte und Swann jemand war, dem
nur das Beste gut genug war. Etwas in der Art wollte er hören.
»Wegen der Sommersprossen«, hatte Swann bloà geantwortet.
Und
jetzt stand er vor Altenburg, der gerade auf einen Bildschirm deutete,
auf dem ein dreidimensionales Computermodell von Pegasus zu sehen war.
Auf dem linken Rand des Bildschirms waren die MaÃe und technischen
Daten der Fähre eingeblendet. Es war eine imposante Konstruktion; das
muÃte sie auch sein, wenn sie eine Raumstation ins All befördern
sollte. Aber Altenburg schien sich damit nicht zufriedenzugeben.
»Die
Dichtungen zwischen den einzelnen Brennstoffkammern halten dem Druck
noch immer nicht stand«, sagte er. Dann machte er eine nickende
Kopfbewegung zum hinteren Teil des Raumes. Einen Moment lang glaubte
Mädler, er sei gemeint. Er spürte, wie das Herz ihm bis zum Hals
schlug. Doch gleich darauf antwortete Lapra, der Mann, der direkt neben
ihm stand: »Wir testen gerade eine neue Legierung. Ich habe Doktor
Swann die Daten schon gegeben.«
»Doktor Swann?« sagte Altenburg.
»Ich
werde sie in mein Computermodell füttern«, erklärte Swann. »Sobald ich
das abgeklärt habe, fahren wir eine volle Simulation.«
Altenburg
schürzte die Lippen, dann sagte er: »Meine Herren, ich denke, ich
brauche nicht zu betonen, daà wir unter enormem Zeitdruck stehen.« Er
hielt einen Moment inne. »Bis wir soweit sind, daà wir die Plattform
ins All schieÃen können, treten wir mit unserem ganzen Programm auf der
Stelle.« Darauf machte er eine Geste, die bedeutete, daà die Sitzung
vorbei war, und ging hinaus, gefolgt von den anderen. Mädler ergriff
seine Chance. Er hatte eine Idee. Er ging zu Swann und tippte ihm auf
den Arm. »Sagen Sie mal, Swann«, begann er.
»Für Sie
noch immer Doktor Swann, Sie Rotznase«, sagte Swann. »Ich hab' Sie
nicht aus Cambridge hierhergeholt, damit Sie gleich plump vertraulich
werden.«
Mädler grinste und spielte seinen Trumpf aus.
»Nein, hören Sie, ich hätte da eine Idee, wie Sie die erste Testreihe
schneller durchziehen können.«
»Sie meinen, wie Sie sie schneller durchziehen können«, sagte Swann und tippte ihm gegen die
Brust. »Man hält sich doch keinen Hund, um dann selbst zu bellen, oder?«
Mädlers
Grinsen wurde noch eine Spur breiter. Diesen Spruch konnte er getrost
als Kompliment auffassen. Swann übertrug ihm Verantwortung.
»Na, dann legen Sie mal los«, sagte Swann und sauste mit seinem Stuhl zur Tür hinaus.
»Jawohl,
Doktor Swann!« rief Mädler ihm nach. Darauf leiser, zu sich selbst
gewandt: »Zu Befehl, Doktor Swann, selbstverständlich, Doktor Swann,
aber natürlich, Doktor Swann.«
Dann rieb er sich die
Hände und machte sich auf den Weg zum Computerraum. Er bemühte sich,
ganz cool und ruhig zu bleiben, so als wäre das alles etwas ganz
Normales für ihn. Er muÃte sich regelrecht dazu zwingen, nicht
loszurennen.
Meike Beck war
frustriert.
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