Mission Eureka
berichtete sie ihrer Tochter ausführlich, was passiert war. Sie
hatte die Unterhaltung Wort für Wort in Erinnerung. Es war, als wäre
sie eine Schauspielerin, die beide Rollen gleichzeitig spielte. Claudia
hörte ihr schweigend zu; immer wieder schüttelte sie den Kopf und
schaute sie ungläubig an.
»Die Geliebte meines Mannes
ist seine Arbeit«, beendete Marianne schlieÃlich ihren Bericht. Dann
zuckte sie mit den Achseln. »Das ist alles«, sagte sie. »Dann hab' ich
sie zur Tür gebracht, und sie ist in ihren Wagen gestiegen und
abgefahren. Das merkwürdige dabei ist, ich habe mich nicht dazu bringen
können, sie zu hassen.«
»Mutter!« protestierte Claudia empört. »Ich hätte ihr die Augen ausgekratzt!«
»Dasselbe
hätte ich vorher auch gesagt, aber wenn man plötzlich wirklich mit der
Situation konfrontiert ist, sieht alles ganz anders aus.«
Claudia schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie kannst du bloà so rational sein?«
»Ich bin nicht so sicher, daà ich das bin.«
»Was?«
»Nun«,
sagte sie nachdenklich. »Bin ich nun verrückt, oder steckt in dem, was
Giovanna Waldegg vorschlägt, tatsächlich irgendwas Vernünftiges?«
»Mutter?«
Ein erneuter Protestschrei von Claudia. »Wie kannst du einen solchen
Gedanken auch nur denken? Deinen Ehemann mit einer anderen zu teilen.
Das ist einfach â¦Â« Sie schlug die Hände vors Gesicht und suchte
nach den passenden Worten. »Es ist schon abartig, dergleichen auch nur
in Erwägung zu ziehen.«
Marianne muÃte lächeln. Sie
erinnerte sie an die Zeit, als sie klein gewesen war, an ihre
Temperamentsausbrüche. Jetzt fehlte nur noch, daà sie mit dem FuÃ
aufstampfte. »Wie puritanisch die Jugend doch ist, wenn es um ihre
Eltern geht«, sagte sie lächelnd.
Aber Claudia stampfte
nicht mit dem Fuà auf. Sie drehte sich einfach um und rannte zur Tür
hinaus. Und Marianne wuÃte genau, wohin sie jetzt gehen würde.
Im
Kontrollraum herrschte gespannte Erwartung. Der groÃe Bildschirm zeigte
das Computermodell auf der simulierten AbschuÃrampe. In der linken
oberen Ecke des Bildschirms lief die Zeit mit: noch eine knappe Minute
bis zum Start. Hurler schaute Altenburg an und sagte leise: »Diesmal
muà es einfach klappen.« Altenburg hörte gar nicht zu. Er war voll auf
seinen Bildschirm konzentriert. Eine ungeheure Spannung hatte sich in
ihm aufgestaut. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen; er war erschöpft
und gereizt. Ein paar Tage zuvor hatte er Hurler angeschnauzt. Er komme
sich vor wie ein Bürohengst, hatte er geflucht. Statt an dem Problem zu
arbeiten, stecke er bis zum Hals in Papierkram. Er hatte regelrecht
getobt an dem Tag. E UREKA hätte sich doch keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn sie mit der NASA kooperiert
hätten, hatte er geflucht; schlieÃlich hatten beide am selben Problem
zu knacken. Aber nein, die Bürokraten hatten sich quergestellt. Dies
sei ein rein europäisches Unternehmen, hatten sie gesagt. Es war die
alte Geschichte: Jeder kochte sein eigenes Süppchen, Konkurrenz statt
Kooperation. Altenburg war wütend und frustriert.
»Noch fünfundfünfzig Sekunden bis zum Start«, sagte Hurler.
Altenburg drückte eine Taste an seinem Intercom. »Christopher, wie sieht's aus?«
»Gut«, antwortete Swann. »Alle Systeme sind okay. Keine Fehlfunktionen.«
Hurler
schaute auf den Bildschirm zur Rechten. Er war leer. Diesmal waren
keine Menschen beteiligt. Diesmal bestand keine Gefahr für Johannes
oder einen der anderen Astronauten. Trotzdem war die Spannung, die über
dem Raum lag, fast greifbar. Diesmal muÃte es einfach klappen. Sie
haften schon zu viele Pannen mit dem verdammten Ding erlebt. Aber
diesmal konnte eigentlich nichts schiefgehen.
»Noch
fünfundzwanzig Sekunden«, sagte er. Er blickte durch die Trennscheibe
und sah Swann vor seinem Bildschirm hocken. Mädler, der dahinter saÃ,
rià gerade einen Ausdruck aus dem Drucker.
»Zwölf
Sekunden ⦠elf Sekunden ⦠zehn Sekunden â¦Â« Aus dem
Augenwinkel spähte er hinüber zu Altenburg. SchweiÃperlen rannen ihm
über das Gesicht, aber er schien es nicht wahrzunehmen.
»Neun â¦Â«
»Acht â¦Â«
»Sieben â¦Â«
»Sechs â¦Â«
Swanns Stimme plärrte aus dem Lautsprecher: »Ich gehe jetzt auf
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