Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
willig. Er seinerseits bedankte sich mal mit einer Salbe gegen Gliederschmerzen, mal mit einer Tinktur gegen Juckreiz oder was seine Kunst eben noch so hergab. Einmal aber schmerzte sie eine schlimme Stelle im Rücken und sie wies eindringlich auf die Unmöglichkeit hin, jene selbst zu erreichen. Blöde nickend, wäre ihm fast die Einladung entgangen. Als ihm endlich klar wurde, welche Gelegenheit sich hier bot, eilte er, dienstbar zu sein und errötend nahm sie an. Sie war beileibe keine Schönheit, aber er war auch kein schöner Mann, und als er den speckigen, faltenlosen Nacken sah, das viele üppige, weiße Fleisch, da überkam ihn ein mächtiges Verlangen. Weil er sich so gar nicht anders zu helfen wusste, biss er sie. Erst leicht und durchaus noch von beifälligen Lauten ihrerseits begleitet, dann jedoch derart, dass sich der Abdruck, den seine Zähne hinterließen, mit Blut füllte. Es machte ihn rasend. Sie aber floh kreischend und mit offenem Gewand auf die Straße von Barneeke und es war nur den glücklichsten Umständen zu verdanken, dass niemand die Witwe in ihrem zerrauften Zustand sah. Daraufhin ließ sie sich eine kleine Weile nicht mehr sehen, nahm schließlich aber doch – denn die Einsamkeit ist ein unbarmherziger Gefährte – wieder ihre Besuche auf und man tat ganz so, als wäre nie gewesen, was nicht geschehen hätte dürfen.
Nun aber war die Witwe tot und konnte nichts mehr dagegen haben, gebissen zu werden, was er reichlich, wenn auch leicht verschämt tat. Nervös wartete er die Frist ab, bis das Gift in ihr keine Gefahr mehr darstellte, um dann endlich zu tun, was ihm bei der lebenden Lördaal nie gelungen war. Er verging sich mehrmals an der Toten, hocherfreut über die beglückende Tatsache, dass der Akt gelang, aber auch mit leichten Gewissensbissen. Besonders genierte ihn, wenn er hie und da ein kleines Stückchen der Witwe verschluckte, denn sein Genuss daran erschien ihm doch irgendwie fragwürdig. So empfand er die schummrige Beleuchtung seines Kräuterlagers als angemessen, verbarg sie doch, gnädig halbverdunkelt, allzu hässliche Details, die, bei Lichte betrachtet, sein Wohlbefinden geschmälert hätten. Trotzdem fühlte er sich besser als je zuvor, stellte also keinesfalls irgendetwas an den Umständen, die ihn dazu brachten, ganz er selbst zu sein, infrage. Bedauernd sah er die Masse Fleisch an, die einmal die Witwe Lördaal gewesen war, aber er sah sich außerstande, noch mehr von ihr zu verschlingen; und die Zeit drängte auch. Außerdem bohrte sich eine Frage in steter Wiederholung in sein Bewusstsein: Ob man ihm wohl gestatten würde, von dem Kinde zu naschen?
Im Reich des Keleb Feuerbart, dem der Menschen, erwachten sie; und so wie der Magister Wadim nur sehr wenige Eigenschaften des Schmiedes Claadt teilte, so waren sie alle höchst unterschiedliche Wesen und in der Tat ein jedes einzigartig. Was sie einte, war ein übergroßes Verlangen, die völlige Abwesenheit von Skrupeln und – sehr spezielle Fähigkeiten. Aus allen Himmelsrichtungen machten sie sich auf, zum Treffen der Schläfer, um jenen zu finden, der sie anführen sollte. Und um ein Kind zu ermorden, in dem eine Macht schlummerte, die selbst er, der über sie gebot, fürchtete.
Das Privileg des Königs
K eleb Feuerbart stapfte, getrieben von innerer Unruhe, in seinem Turmzimmer auf und ab. Acht Tage waren vergangen, seit sich der Erzmagier aufgemacht hatte und seither gab es keine Nachricht. Das mochte gut und konnte schlecht sein. Was auch immer – in jedem Falle war er außerstande, sich ein Bild zu machen und das trübte seine Laune aufs Äußerste. Dazu noch die Sorge um seinen Magier – so hatte man einen Mann, der sehr geneigt war, dem Nächstbesten etwas anzutun, einfach nur, weil es ihn gab und weil er da war.
In dieser Verfassung fand ihn ausgerechnet sein Kanzler vor. Gordred war nicht der Mann seiner Wahl, sondern der Wunschkandidat seines Vaters gewesen, den in diesem Falle Tüchtigkeit einige andere, mangelhafte Charakterzüge übersehen ließ. Nun war Keleb ein Mann, dem es auch nach etlichen Jahren immer noch schwer fiel, die Wünsche des verstorbenen Hochkönigs zu ignorieren; und so war Gordred, mit nur knapp zwanzig Jahren, Kanzler Thules und der Haushofmeister der Schlossburg geworden. Dass dies so geschehen konnte, trotz der Vorbehalte des Erzmagiers und der Abneigung des damaligen Kronprinzen, zeigt die Entschlusskraft des Thore, die seiner Sturheit in nichts nachstand.
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