Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
ließ sich nicht beirren. »Du bist ein sturer Klotz von einem Mannsbild, aber du hast das Herz am rechten Fleck. Leider hilft das deinem Verstand nicht. Das Mädchen ist nicht länger hier gelitten. Nimm sie und deine Frau und führ sie fort von hier, denn es droht euch nur Unheil.« »Sie ist nicht böse. Nur anders. So glaub du uns doch wenigstens.«Ariane war in die Knie gegangen, hatte die Hände der Alten ergriffen und sprach drängend auf sie ein. »Ich weiß das doch. Ich weiß das doch!«, schimpfte Derngard und ihr Kopf wackelte im Takt der Worte.
»Mir musst du das nicht sagen. Wäre ich hier, wenn ich etwas anderes dächte?« Etwas ruhiger fuhr sie fort: «Sie ist etwas ganz Besonderes. Zu besonders für ein kleines Dorf wie Njörndaal. Bringt sie nach Bacholder, oder aber besser gleich nach Thule, zum Turm des Wenduul.« »Wovon werden wir leben? Hast du auch eine Antwort darauf?« Mors hatte sich nun zu der Alten gedreht und seine dunklen Augen glommen wie die Kohle, die er herstellte. »Zumindest werdet ihr leben! Wovon auch immer. Du bist ein starker Mann und gesund. Bewirb dich bei der Stadtwache oder den Mannen des Herzogs.« »Ich töte nicht für die Launen eines anderen.« »Und doch tötest du womöglich deine Familie, nur um deinen Willen zu behalten.«
Drohend schob sich Mors nun einen Schritt näher an den Tisch heran, an dem Derngard saß. Unbeeindruckt keifte die weiter. »Schau mich nur böse an, Mors. Mir machst du keine Angst. Ob mich der Tod ein wenig früher oder später holt, tut nichts weiter zur Sache.« »Der wird dich so gut gebrauchen können wie ich«, murmelte er leise und erntete einen strafenden Blick Arianes dafür. Aber die Alte war so in Fahrt, dass sie nichts mitbekommen hatte.
Mors schwieg nun, denn das konnte er gut und ausdauernd, und er wünschte sowieso, er hätte gleich den Mund gehalten. Natürlich sorgte auch er sich; und am wenigsten um sich selbst. Auch Ariane schwieg, denn sie konnte Mors´ Gründe verstehen, grad so, wie sie auch die Argumente Derngards verstand. Aber so ist es bisweilen mit schwierigen Dingen, die sich einer einfachen und guten Lösung entziehen. Dass Mors nicht zu den Leuten des Herzogs gehören wollte, verstand sie. Es waren meist grobe Gesellen, die zwischen Recht und Unrecht keinen Unterschied machten; und es hing allein von der Persönlichkeit ihres Vorgesetzten ab, ob es eine ordentliche Einheit war oder ein mörderischer Sauhaufen, der sich von den Räuberbanden nur durch die Uniformierung unterschied.
Ebenso schwieg auch das Mädchen. Mit den Armen seine Knie umschlingend, saß es unter der Fensterbank und sah in sich allein den Grund allen Übels. Obwohl sie versucht hatte, dieses seltsame Eigenleben in ihr einfach zu ignorieren, war es wieder geschehen. Und diesmal vor aller Augen, Leugnen zwecklos. Das krächzende Zetern, mit dem die alte Derngard Mors bearbeitete, schrumpfte auf ein Hintergrundgeräusch zusammen, als ihre Gedanken wieder zum Backtag eilten.
Zuerst war es nicht einmal so schlecht gewesen. Allseitig schien man übereingekommen zu sein, so zu tun, als gäbe es sie nicht. Das war ihr nur Recht und unbeachtet in einer Ecke sitzen zu können und den Gesprächen zu lauschen, reichte ihr völlig. Immer wieder blickte Ariane zu ihr und schenkte ihr ein so liebevolles Lächeln, dass ihr Herz Sprünge machte. Und schließlich gab es doch ein paar wenige, die die allgemeine Ablehnung nicht oder nicht in dem Maße teilten, wie der Rest der dörflichen Gemeinschaft. So kam es, dass in unbeobachteten Momenten eine Hand verstohlen über ihren Kopf strich, jemand ihr zublinzelte oder ihr ein Stück frischgebackenes Brot reichte. Eher verstohlen, ja, verschämt geschah solches und nur wenige waren es, aber trotzdem fühlte sie sich wohler als seit Tagen. So vergingen die Stunden und Fuhre um Fuhre der großen, duftenden Laibe verließen den Ofen. Sie war schläfrig geworden, so satt und zufrieden in der wohligen Wärme, die der Backofen, der seit der Frühe angeheizt war, um sich verbreitete. Aber sie war sich sicher, dass sie noch nicht geschlafen hatte, als die Träume begannen.
Zuerst verlor die Welt jede Farbe, denn so war es immer. Alles bestand nur noch aus Grautönen, war verschwommen und undeutlich. Dann drangen Geräusche an sie, die nichts mit dem fröhlichen Geplapper des Backtages zu tun hatten. Raues Gelächter, dem jeder Frohsinn abging. Männer unterhielten sich in einer Sprache, die sie nicht verstand. Hart
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