Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
schlanken Arme fasste nach ihm. «Nicht in Fleisch und Blut natürlich. Sein Geist war hier. Sie nennen ihn Geistgreifer, erinnerst du dich? Ich erzählte dir gelegentlich davon.« »Ja, ja, natürlich erinnere ich mich. Darum geht es doch gar nicht. Was wollte ... – was hat er hier getan?« Mit gespielter Verwunderung und leichter, aber echter Verachtung sah sie ihn an. Konnte er so dumm und so brillant zugleich sein? »Was dachtest du, würde passieren, wenn du deine Bestien loslässt? Er ist alt, aber er ist auch des Feuerbarts schwarze Krähe. Glaubtest du, er würde zusehen, wenn du Kinder morden lässt?« »Du hast es gewusst!« Anoush kicherte schrill. »Nein. Nichts habe ich gewusst. Aber ich kann denken.«
Dietrich überhörte diese Anspielung, er hatte keinen Sinn für ein Wortgefecht und auch nicht für Spiele. Aber er zwang sich zur Ruhe und fragte, so gelassen er konnte: »Was hat er hier gewollt?« Auch Anoush war ruhig geworden und sie ließ ihn nicht aus den Augen, als sie ihm antwortete. »Er hat sich das Innenleben von Claadt und Wadim angesehen. Das muss eine ziemlich scheußliche Angelegenheit sein, meinst du nicht?« »Erzähl weiter«, sagte er grob und milderte ab, in dem er »Bitte!« hinzufügte. Lächelnd nickte sie.
»Nun, wie zu erwarten war, habe ich seine Präsenz gespürt. Da sich Brim zufällig bei mir aufhielt, waren wir recht schnell in Wadims Gruft. Ein scheußlicher Ort, nicht? Es dauerte wohl ein wenig, aber letzten Endes errichtete Brim einen Block, den Wenduul nicht brechen konnte. Das ist doch eine gute Nachricht, oder?« Misstrauisch sah er sie an. »Und das ist alles?« »Nein, Liebster. Nicht ganz«, strahlte sie. »Wadim, dein Lieblingsmonster, ist tot.«
Nach einer kleinen Kunstpause, in der sie sich an seiner Sprachlosigkeit weidete, fuhr sie fort. »Er hatte ein Festessen. Mit sich selbst. Wenduul hat ihn dazu eingeladen und Wadim hat dem mit Appetit entsprochen, aber ich glaube, er starb, bevor er satt war. Ein sehr passendes Ende für einen Menschenfresser. Ich muss zugeben, der Erzmagier hat einen etwas rauen, aber treffsicheren Humor.« Eher gelangweilt sah sie ihm zu, wie er mit ruckartigen Bewegungen, aus denen Missbilligung und Ungeduld sprachen, Hose und Wams anzog. Sie war stolz darauf, dass nun sie den Schrecken und nicht länger der Schrecken sie kontrollierte.
»Ich hätte ihn noch brauchen können«, warf er ihr vor. »Wozu?«, fragte sie lächelnd, mit zwei Fingern an ihrer Brustwarze spielend. »Noch mehr Kinder töten? Er hat seinen Zweck erfüllt und darüber hinaus hat er uns noch den Dienst erwiesen, die Fähigkeiten Brims zu erproben. Er kann Wenduuls Kräfte abwehren, was also willst du mehr?«
Dietrich zog es vor, zu schweigen. Die Kaltschnäuzigkeit, mit der Anoush den Tod Wadims wertete, irritierte ihn. Noch mehr allerdings irritierte ihn, dass es ihn irritierte, denn genau aus diesem Grunde war sie doch hier. Dass eben jene Kaltschnäuzigkeit ihr dabei half, die Angst zu bewältigen, war ihm nicht klar. Nicht in diesem Moment, denn es war erforderlich, nachzudenken und angemessen auf die neue Situation zu reagieren. Schnellen Schrittes durchquerte Dietrich das kleine Haus, Brim und Claadt sah er nicht. Er fand beide und auch Wadim selbst, in den Kellerräumen des Hauses, dem Reich des Magisters. Eine Blutlache umgab den in einer Ecke des Raums zusammengesunkenen Körper, der Rand des sich ausbreitenden, nassen, roten Flecks berührte fast die Füße des Schmiedes. Claadt saß zusammengekrümmt, die eigenen Knie umfassend, auf dem Boden und wiegte sich hin und her, leise dabei wimmernd. Zweimal rief Dietrich ihn erfolglos an. Claadt kniff die Augen derart gewaltsam zusammen, dass sich sein ganzes Gesicht in Falten legte. Auch als Dietrich ihn mit dem Fuß anstieß, reagierte er nicht, sondern fiel langsam zur Seite und blieb liegen wie ein gefällter Baum.
»Sein überschaubarer Verstand hat sich verflüchtigt, als er Wadim beim Selbstverzehr zusah. Sollte er wieder zu sich finden, was ich bezweifle, wird er bestimmt noch viel prächtiger ohne ihn zurechtkommen.« Anoush war ihm gefolgt, Brim an der Hand mit sich führend. Sie hatte ihren Umhang übergeworfen und ihr übertriebenes Gähnen angesichts der Szenerie erregte den Zorn Dietrichs. »Du hast das hier gewusst und spielst Spielchen, anstatt mir sofort zu berichten?« Sein Ton war drohend, doch er musste erkennen, dass Anoush sich nicht beeindruckt zeigte. »Was, Dietrich von Bochum,
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