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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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anderen Tisch abgeliefert hatte, setzte sie sich ungefähr in der Mitte des Saales an ihren Platz.
    Es sah so aus, als würde das Abendessen im Kreis der jeweiligen Familie eingenommen, obwohl an jedem Tisch unterschiedliche Hautfarben und Kulturen vertreten waren. Munroe ließ den Blick durch den Saal schweifen und suchte nach Hannah. Sie entdeckte sie schließlich etliche Tische entfernt bei der Frau, die sie Mutter genannt hatte, und drei jüngeren Kindern. Mit den blassgrünen Augen, den dichten Wimpern, pechschwarzem Haar und perfekter Sonnenbräune – eine äußerst eigentümliche Mischung – sah die Frau Hannah überhaupt nicht ähnlich. David Law war nirgendwo zu sehen, aber das musste nichts heißen. Wahrscheinlich saß er in einem der Kleinbusse, die immer noch unterwegs waren.
    Elijah brachte Munroe an den Ecktisch, an dem sie schon vorhin gesessen hatten. Die Frau und die Kinder, die sie ebenfalls schon kennengelernt hatte, saßen bereits da. Außerdem noch drei Teenager und ein junges Paar mit einem Baby. Während Elijah den anderen auf Englisch erklärte, wer Munroe war, stellte er ihr das Paar als seinen Sohn, seine Schwiegertochter und sein Enkelkind vor.
    Das war Heidis Familie, so viel stand fest. Der Sohn und zwei der Mädchen waren eindeutig ihre biologischen Geschwister, und auch bei den anderen waren charakteristische Ähnlichkeiten festzustellen, obwohl sie nur Halbgeschwister waren und das philippinische Erbe ihrer Mutter ebenfalls klar zutage trat. Die Jugendlichen unterhielten sich in perfektem Spanisch, während die Mutter und die jüngeren Kinder nur Englisch sprachen.
    Munroe bekam einen Platz zugewiesen, von wo sie den
gesamten Saal im Blick hatte. Aufmerksam prägte sie sich jede Einzelheit ein, beteiligte sich aber gleichzeitig intensiv am Gespräch. Riesige Kochtöpfe standen auf der Serviertheke und dahinter drei Jugendliche, die das Essen auf die Teller der Vorüberziehenden schaufelten. Es erinnerte stark an eine Betriebskantine. Eine von Elijahs Töchtern brachte Munroe einen Teller, und sie bedankte sich mit einem freundlichen Nicken, während sie die undefinierbare Brühe in Augenschein nahm.
    Allmählich verebbte der Strom der Neuankömmlinge. Munroe schätzte, dass inzwischen ungefähr hundertfünfzig Menschen im Raum saßen, überwiegend Kinder und Jugendliche. Immer wieder ließ sie den Blick über die Gesichter der Kinder gleiten. Sie waren so jung, so unschuldig und vollkommen. Manche versuchten auf ihre eigene Weise, ein klein wenig Aufmerksamkeit für sich zu ergattern, andere, wie zum Beispiel Elijahs Kinder, zeigten sich vollkommen gleichgültig gegenüber ihren Eltern. So schmerzhaft es war, das alles mit anzusehen, aber Munroe konnte den Blick nicht abwenden.
    Zum Glück trugen die ERWÄHLTEN keine Waffen. Ansonsten wäre das Risiko von Kollateralschäden sehr groß, eigentlich sogar unverantwortlich gewesen. Munroes Blick ruhte auf einem jungen Mann Mitte zwanzig. Er hatte sich eine Gitarre umgehängt. Ohne jede Spur von Unsicherheit stand er auf, schlug einen Akkord an und begann zu singen.
    Alle hörten auf zu essen und zu reden, und dann füllte ein Chor aus hundert Stimmen den Saal. Ohne Übergang fügten sie ein Lied ans andere. Das Potpourri handelte vom Essen und von der Dankbarkeit, zu dieser großen Familie gehören zu dürfen. Es dauerte knapp zehn Minuten.
    Als der Gesang beendet war, sprach der junge Mann ein
paar Worte des Dankes und bat den Herrn, das Essen von ungesunden Keimen zu befreien. Dann setzte er sich zu seiner Familie. Der Geräuschpegel erreichte rasch wieder sein altes Niveau. Er hatte Englisch gesprochen. Seine deutliche Aussprache hatte Munroe an Logan erinnert. In seinem klar verständlichen, US-amerikanischen Englisch waren auch Spuren eines westeuropäischen und lateinamerikanischen Akzentes erkennbar gewesen. Es kam ihr so vor, als ob die meisten hier so sprachen.
    Munroe beteiligte sich wieder am Gespräch, hörte jedoch nicht auf, verstohlen den Saal zu beobachten. Neuankömmlinge waren keine zu verzeichnen, und das Singen war auch vorüber. Trotzdem war an Hannahs Tisch kein David Law zu sehen.
    Der Mann, der Hannah entführt hatte, um sie zurück in die Bewegung zu holen, der Mann, den Hannah am ehesten als Vaterfigur betrachten konnte, ihr einziger zumindest halbwegs richtiger Angehöriger, war auf seltsame Weise abwesend. Munroe brauchte natürlich nicht unbedingt zu wissen, wo er war, um ihren Auftrag auszuführen, aber

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