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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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Bradford die zehn Minuten bekam, die er brauchte, um seine Überwachungsgeräte zu installieren. Das Warten würde ihr letztendlich das bringen, was sie wollte. Hätte sie nicht ohnehin schon ein Buch in die Hand gedrückt bekommen, sie hätte um eines gebeten, um irgendetwas, was ihren Besuch so lange ausdehnte, bis die Kleinbusse zurückkehrten und das Haus sich füllte. Aber Elijah, in seinem starken Bedürfnis, sie in den Schoß der Gruppe zu holen, hatte dieses Problem bereits für sie gelöst.
    Wie aufs Stichwort hörte sie jetzt hinter der Haustür Geräusche, Schritte und Stimmen, die näher kamen.
    Munroe knipste das Licht im Alkoven aus und ging
durch das abgedunkelte Wohnzimmer in Richtung Haustür. Sie setzte sich auf den Stuhl, der am dichtesten zum Eingang stand, und drehte ihn so, dass sie mit dem Rücken zur Vorderseite des Gebäudes saß. Der direkte Blick ins Foyer wurde durch einen kleinen Mauervorsprung blockiert. Hier in dieser dunklen Ecke konnte sie jede Person, die an ihr vorbeiging, von der Seite und von hinten sehen. Es war zwar schade, dass sie die Gesichter nicht klar und deutlich erkennen konnte, aber dieser Nachteil wurde durch die Tatsache, dass sie so gut wie unsichtbar war, mehr als wettgemacht. Sie würde nur bemerkt werden, wenn sich jemand bewusst zu ihr umdrehte.
    Jetzt kamen sie aus der Kälte zur Tür hereingetrampelt – überwiegend Teenager, denen die Erschöpfung eines langen Arbeitstages deutlich anzusehen war. Wenn das die Besatzung eines einzigen Kleinbusses war, dann hatten sie mehr Passagiere befördert, als Sicherheitsgurte vorhanden waren.
    Die Jugendlichen unterhielten sich und zogen, begleitet von freundschaftlichem Gerangel, an Munroe vorbei. Sie waren nicht besonders leise, und so näherte sich das Haus ein Stück weit dem Geräuschpegel an, den Munroe erwartet hatte.
    Immer in Zweier- und Dreiergrüppchen kamen sie herein, beladen mit Mänteln und großen Taschen. Im Grunde genommen sah es so aus, als kämen sie gerade von der Schule nach Hause und nicht vom Betteln auf der Straße, was, wie Munroe wusste, einen großen Teil ihres Alltags ausmachte.
    Da drang die Stimme einer Frau zur offenen Haustür herein. Sie war noch nicht zu sehen und rief ein paar Namen. Drei der Jugendlichen, die gerade erst das Foyer passiert
hatten, blieben stehen und drehten sich um, nur wenige Meter von Munroe entfernt. Ihre Gesichter waren klar und deutlich zu erkennen.
    In diesem Augenblick blieb die Zeit stehen.
    Munroes Brustkorb drohte zu zerspringen.
    Das exakte Ebenbild eines jüngeren, weiblichen Logan stand direkt vor ihren Augen.
    Am liebsten wäre sie auf der Stelle aufgestanden, hätte sich das Mädchen geschnappt und wäre mit ihr weggelaufen. Doch sie beschloss innerhalb von Sekundenbruchteilen, es sein zu lassen. Zu viele Fakten sprachen zu eindeutig dagegen: ihre Position zur Tür, die Anzahl der Menschen in der unmittelbaren Umgebung, die Zeit, die sie gebraucht hätte, um den Wagen zu erreichen und, immer vorausgesetzt, sie konnte Hannah neutralisieren, die Notwendigkeit, sich mit einem zusätzlichen Zentner Gewicht auf den Schultern den Weg freizukämpfen.
    Also begnügte sie sich damit, diese blonde, grünäugige Miniaturausgabe von Logan anzustarren. Nur langsam kehrte der klare, objektive, emotionslose Verstand wieder zurück. Während ihres Augenblicks der Erstarrung war ihr die Bedeutung des Worts, mit dem das Mädchen jene ferne und unsichtbare Stimme hinter der Tür angesprochen hatte, beinahe entgangen.
    Mom.
    Das Mädchen, dessen leibliche Eltern die letzten acht Jahre ununterbrochen nach ihm gesucht hatten, nannte eine andere »Mutter«.
    Munroe wartete gespannt auf die Frau, hoffte auf einen Funken des Erkennens. Aber als die letzte Insassin des Kleinbusses das Haus betrat, sah Munroe nur eine unbekannte Frau vor sich, eine vollkommen Fremde.
    Das Foyer leerte sich. Munroe blieb regungslos in ihrer dunklen Ecke sitzen, unterdrückte das schwelende Feuer in ihrem Inneren, das sie den ganzen Tag über gespürt hatte, verarbeitete das Gesehene und spielte verschiedene Szenarien durch.
    Wenn sie zu schnell losschlug, bevor sie genügend Informationen gesammelt hatte, bestand die Gefahr, dass sie Fehler machte. Wenn sie zu lange wartete, erregte sie unnötig Misstrauen. Vor ihrem geistigen Auge entfaltete sich Zug um Zug ein Schachspiel mit Strategien und Wahrscheinlichkeiten, Risiken und Gewissheiten, während sie gleichzeitig die Minuten zählte und darauf

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